Prozesstermine
Alle bisher angesetzten Prozesstermine:
Oktober 2015: 5.10.; 7.10.; 28.10.;
November 2015: 19.11.; 24.11.; 26.11.;
Dezember 2015: 4.12.; 9.12.; 11.12.; 16.12.;
Januar 2016: 6.01.; 15.01.;
Der Prozess beginnt jeweils um 9.15 Uhr.
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Die Passantin, die keine Passantin ist!
Die drei HoGeSa-Nazi-Täter waren am Abend des mörderischen Angriffs am 10./11. April nicht „nur“ zu dritt unterwegs.
Wir waren bisher davon ausgegangen, dass eine unabhängige Zeugin den Täter Patrick Petri nach seiner Flucht vom Tatort des Autonomen Zentrums an den City Arkaden entdeckt hat und die Polizei anrief. Das ist eine falsche Annahme gewesen, basierend auf Aussagen der Wuppertaler Polizei, Staatsanwaltschaft und Veröffentlichungen in lokalen Medien.
Im Verlauf des Prozesses vor dem Wuppertaler Landgericht hat sich herausgestellt, dass die scheinbare „Passantin“ Tanja Weinhold (38 Jahre, Wuppertal-Langerfeld), die den Täter Patrick Petri vor den City Arkaden in der Elberfelder Innenstadt verletzt gefunden haben soll und daraufhin die Polizei alarmierte, im Verlauf des gesamten Abends mit den drei Tätern Pick, Petri und Becker in Kontakt stand bzw. sich mit ihnen gemeinsam bewegte.
Sie war anwesend bei der Planungsbesprechung und Bewaffnung in der Wohnung des Täters Thomas Pick.
Sie war zwischenzeitlich am Tatabend im AZ mit den drei Tätern zusammen.
Im Anschluss an die mörderische Tat, nach der die Täter Pick, Petri und Becker unerkannt und unverfolgt geflohen sind, war sie mit den Tätern in der Wohnung Pick.
Der Täter Petri, der sich selbst mit seinem eigenen Messer an Oberschenkel und Hand verletzt hat (oder war es einer seiner Freunde?), wurde von Pick, Becker und Weinhold in der Wohnung behandelt und in der Folge an den City Arkaden abgesetzt.
Tanja Weinhold hat in Absprache mit den angeklagten Tätern die Polizei gerufen und eine fingierte Geschichte über den Fund Petris in der Stadt sowie eine gemeinsam erlogene Darstellung über einen Überfall in der Innenstadt der Polizei geschildert.
Tanja Weinhold ist zumindest eine Mitwisserin. Nach Zeugenaussage der langjährigen Ex-Lebensgefährtin von Thomas Pick Roswitha S. und ihrer Tochter im laufenden Prozess, ist Tanja Weinhold nach eigener Aussage von Pick ihnen gegenüber die einzige, die ihm „das Genick brechen könnte“.
Tanja Weinhold soll nach Aussage des Gerichts verschiedene Versionen des Ablaufs in der Tatnacht bei der Polizei ausgesagt haben, die sich in den Akten des Prozess befinden und im laufenden Verfahren noch nicht genauer thematisiert worden sind.
Weinhold war am 4. Dezember als Zeugin geladen. Sie gab an seit 11.11.2015 mit dem HoGeSa-Nazi Thomas Pick verlobt zu sein. Im gleichen Satz sagte sie, dass es hierfür Zeug*innen gäbe. Sie verweigerte daraufhin jede weitere Aussage. Die Zeug*innen sollen nun geladen werden, da die „Spontan-Verlobung“ kurz vor Weinholds Zeugenaussage selbst dem Richter zu doof war, der Tanja Weinhold zudem darauf hinwies, dass sie das auch unter Eid bestätigen müsse und falls sich herausstellen sollte das die Verlobung wiederum eine fingierte Geschichte sei, sie mit einer Haftstrafe wegen Meineids rechnen muss. Tanja Weinhold blieb bei ihrer Stellungnahme.
Der Prozess wird morgen, Mittwoch um 09.15 Uhr vor dem Landgericht Wuppertal fortgesetzt. Weitere Prozesstermine sind für den 06. und 15. Januar 2016 angesetzt.
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„Alle Rettungskräfte raus“
Erste Klarstellung zum Vorgehen der Polizei nach dem mörderischen Naziangriff am 11. April
Am vergangenen 5. Verhandlungstag wurde es überdeutlich: Die Rettungskräfte wurden von der Polizei vom lebensgefährlich verletzten Opfer des Messerangriffs wegbeordert!
Bereits mehrere Zeug*innen hatten in den letzten Wochen ausgesagt, dass die Rettungskräfte kurz nach ihrem Eintreffen die Behandlung wieder abbrechen mussten, weil sie von der Polizei abgezogen wurden. Dies hat sich nun durch die Aussage des erstbehandelnden Rettungsassistenten eindeutig bestätigt.
Die Besatzung des durch die AZ-Besucher*innen herbei gerufenen RTW wurde nicht nur unmittelbar ins Autonome Zentrum (AZ) gelassen, vielmehr seien sie bereits an der Straße eilig herbei gewunken und direkt zu dem lebensgefährlich Verletzten geführt worden. Worauf sie unmittelbar und ungehindert mit der rettungsdienstlichen Erstversorgung beginnen konnten, bis sie plötzlich und für sie nicht nachvollziehbar durch die zeitlich später eingetroffene Einsatzleitung vom Opfer wegbeordert wurden.
Klar ist nun, selbst der verwunderte Richter musste trotz mehrfachen Nachfragens schließlich konstatieren, dass sowohl den Rettungskräften als auch den zeitgleich eintreffenden Polizist*innen der Zutritt zum AZ nicht verweigert wurde und sie zusammen mit den Rettungskräften ungehindert zu dem lebensgefährlich verletzten Freund des Hauses geleitet wurden.
Schon an den vergangenen Verhandlungstagen hatte der Richter an dieser Stelle ungläubig nachgehakt, ob denn die Tür offen gewesen sei. Es scheint nicht in sein feststehendes Weltbild zu passen, dass Polizist*innen gegenüber den schockierten Freund*innen eines offensichtlich schwerverletzten Opfers zu überzogener Gewaltandrohung greifen. Nachdem es nun eindeutig ist, dass die Wuppertaler Polizei nicht nur an dem folgenschweren Abend reflexhaft gegen Antifaschist*innen vorgegangen ist und die nachfolgenden Darstellungen für die Presse einer Lüge folgten, wollte der Vorsitzende Richter am 6. Verhandlungstag diesen Themenkomplex komplett ausblenden und sprach von einem anscheinenden „Missverständnis“ beim Polizeieinsatz.
Die mangelnde Empathie und Vorstellungskraft des Richters trat auch an anderer Stelle des 5. Verhandlungstages auf erschreckende Weise zu Tage. So regte er an, die Wunden des Geschädigten könnten doch durch die, als Zeugin geladene, Rettungsärztin untersucht werden und dies könne sicherlich auch im Verhandlungssaal stattfinden – Männer seien da meist nicht so eigen. Durch Eingreifen der Anwältin des Opfers konnte dies verhindert werden und fand in einem abgeschlossenen Nebenraum statt.
Des Weiteren offenbarte der Vorsitzende Richter – entgegen erster Einschätzungen am 1. Verhandlungstag, an dem er die Angeklagten so weit wie möglich nach ihrer politischen Herkunft befragte – gegenüber einem Zeugen am vierten Verhandlungstag seine problematisch relativierende Haltung gegenüber den entscheidenden politischen Hintergründen des Tatgeschehens, in dem er verlauten ließ, ob ‚rechts‘ oder ‚links‘ oder überhaupt ein politischer Zusammenhang bestünde sei ihm „scheiß egal“.
Die weitere Schilderung des Rettungsassistenten (und weiteren Zeug*innen) zum Vorgehen der Wuppertaler Polizei in dieser Nacht zeichnen ein deutliches Bild:
Nachdem die Rettungskräfte vom Schwerstverletzten abgezogen und von der Polizei nicht mehr ins AZ gelassen wurden, habe die Notärztin angeregt zur Not könne der Patient auch durch die Polizei aus dem AZ gebracht werden damit die weitere rettungsdienstliche Versorgung fortgesetzt werden könne. Woraufhin die Polizist*innen zunächst versuchten den lebensgefährlich Verletzten auf einer Trage abzutransportieren. Die Trage passte nicht um die enge Ecke und so wurde der Schwerstverletzte anscheinend von Polizist*innen gepackt und ohne Trage aus dem AZ befördert.
Diese Schilderung, die sich wie bereits erwähnt, in zahlreichen bisher erfolgten Zeug*innenaussagen wiederfindet, offenbart in aller Deutlichkeit, dass Fehlverhalten der Polizei in dieser Nacht. Die Beamt*innen der Wache Hofkamp agierten reflexhaft gegen Menschen, die sie dem Autonomen Zentrum zurechneten und nahmen dabei eine Verschlechterung des höchst-kritischen Gesundheitzustands des lebensgefährlich verletzten Opfer des mörderischen Naziangriffs billigend in Kauf. Dass die Polizist*innen unseren schwerstverletzten Freund trotz seines offensichtlich lebensbedrohlichen Zustands ohne Trage aus dem AZ transportierten, nachdem sie selbst die Rettungskräfte abgezogen hatten, scheint allein den Richter nicht weiter zu verwundern, denn an dieser Stelle hakte er ausnahmsweise nicht nach.
Nachdem nun anschaulich geworden ist, wie eskalierend und unprofessionell die Polizei in dieser Nacht agierte, wird auch offenbar, dass die erste Pressemitteilung der Polizei allein das Ziel hatte dieses Fehlverhalten zu übertünchen. Leider haben die (lokalen) Pressevertreter*innen damals bereitwillig das von der Polizei gezeichnete Bild übernommen. Da am 5. Verhandlungstag aber erneut mehrere Pressevertreter*innen anwesend waren, besteht ja nun die Möglichkeit die falsche Berichterstattung wenigstens nachträglich richtig zu stellen und das Verhalten der Polizei nun kritisch zu hinterfragen.
Ein gutes Beispiel ist der Artikel „Schwere Polizei-Fehler bei der Ermittlung?“, der diesen Samstag (28.November) in der Wuppertaler Rundschau erschienen ist.
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1. Prozesstag
Zunächst ließen sich die beiden Angeklagten Patrick Petri und Rolf Becker ein. Rolf Becker fiel vor allem durch angebliche eklatante Gedächtnislücken auf, die trotz intesiven Nachfragens durch Richter, Anwälte und Staatsanwaltschaft bislang nicht gelichtet werden konnten. Beide Angeklagte versuchten ihre Zugehörigkeit zur Rechten Szene abzustreiten bzw. in die Vergangenheit zu verschieben. Thomas Pick zeigte sich als Hardliner der Rechten Szene und wird sich voraussichtlich nicht zur Tat einlassen. Picks Kontakte in der Naziszene bestätigte der vorsitzende Richter dadurch, dass er den Kontakt zu “SS-Siggi” (Siegfried Borchardt – Borussenfront/Die Rechte Dortmund), Sturm 18 sowie der rechten Hool-Gruppierung “Berserker” erwähnte.
Die beiden anderen Angeklagten gestanden ein, dass sie sich zusammen mit dem dritten Angeklagten Thomas Pick in der Tatnacht getroffen hatten, um die gemeinsame Anreise mit einem Bus zu einer HoGeSa-Demonstration in Karlsruhe zu organisieren. Hierbei scheint Petri das Bindegelied zu anderen Angehörigen der Rechten Szene gewesen zu sein, denn er war dafür zuständig an diesem Abend das Geld einzusammeln. Die Bekanntschafft mit dem HoGeSa-Mitorganisator Mario Leisering aus Oberhausen gaben beide freimütig zu. Becker gab an, dass er mit Leisering zusammen bei “HoGeSa” in Hannover war.
Hier von einer Nazivergangenheit, einem Ausstieg aus der Rechten Szene oder ähnlichem zu sprechen ist reine Augenwischerei und soll dem kläglichen Versuch der Angeklagten dienen, einen politisch motivierten mörderischen Angriff zu einer zufälligen Auseinandersetzung herabzustufen. Alle drei Angeklagten bewegten sich auch in der Zeit rund um die Tatnacht in der Rechten Szene und wählten das Autonome Zentrum bewusst als Ort an dem sich “der politische Gegner” trifft.
Der Teilnehmerkreis auf HoGeSa-Demonstrationen überschneidet sich nicht zufällig mit dem auf anderen Nazi-Demonstrationen. Beiden Gruppen ist nicht nur ein rassistisches Weltbild und ein hohes Gewaltpotenzial gemein, sie sind in großen Teilen deckungsgleich bzw. verbrüdern sich zusehends miteinander.
Die Angeklagten Petri und Becker haben nach eigener Aussage die PEGIDA-/HoGeSa-Demonstration am 14.März 2015 in Wuppertal besucht und pflegen weitere Kontakte in organisierte Nazistrukturen. Pick war beispielsweise an dem versuchten Angriff auf eine Gedenkveranstaltung in der Kölner Probsteigasse im Januar 2015 beteiligt. Laut einer Antifa-Recherche nahm Patrick Petri am 30. Mai 2011 an einem Naziaufmarsch in Enschede (Niederland) teil. Dort trug er zusammen mit Leisering das Transparent des „Freien Widerstands Oberhausen“. Spätestens seit diesem Zeitpunkt hat Patrick Petri Kontakte zu Teilen der Wuppertaler Nazistruktur „Nationale Sozialisten Wuppertal“ (heute „Die Rechte Wuppertal“). Den Kontakt zu Leisering bestätigte er auch im Prozess.
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In den frühen Morgenstunden des 11. Aprils 2015 wurde ein Freund des Autonomen Zentrums Wuppertal von drei „HoGeSa“-Nazis überfallen und mit mehreren Messerstichen (laut Staatsanwaltschaft acht Messerstiche) und zusätzlich stumpfer Gewalt lebensgefährlich verletzt. Bei mehreren Messerstichen in den Rücken geht es nicht nur um eine erschreckend grausame Brutalität, sondern unseres Erachtens um einen Mordversuch!
Aus den Medien erfahren wir nun, dass den mutmaßlichen Tätern vom 11. April ab dem 05. Oktober der Prozess wegen Totschlag und gefährlichen Körperverletzung gemacht werden soll. An den Verlautbarungen der Staatsanwaltschaft, die wir über die Medien vermittelt bekommen, ist einiges erstaunlich:
„Alle drei Männer gehörten nach Ansicht der Staatsanwaltschaft zumindest früher der rechten Szene an.“
(Zitat nach WZ vom 18.9.2015)
Die Nazis sollen also früher der rechten Szene angehört haben. Wir sind der unbedingten Auffassung, dass Leute, die bewusst einen antifaschistischen Ort wie das Autonomen Zentrum Wuppertal aufsuchen und vor dem mörderischen Angriff mit „HoGeSa“-Sprüchen drohen, in keiner Weise als „ehemalig der rechten Szene zugehörig“ bezeichnet werden können! Zudem ist durch Antifa-Recherche bereits öffentlich geworden, dass einer der mutmaßlich Tatbeteiligten, Thomas Pick, noch im Januar 2015 an einem versuchten Überfall von ca. 50 Nazi-Hooligans aus dem HoGeSa-Spektrum auf eine Gedenkveranstaltung in der Kölner Probsteigasse beteiligt war
(vgl. Dokumentation: Recherche-Artikel zu den Tätern des Mordversuches vor dem Autonomen Zentrum).
Die Gedenkveranstaltung fand anlässlich des vom NSU verübten Bombenanschlages 2001 auf einen von Iraner*innen betriebenen Kiosk statt. Vor diesen Hintergrund von „ehemalig der rechten Szene zugehörig“ zu sprechen ist eine Entpolitisierung der Täter und der Tat und verharmlost Dimensionen rechter Gewalt.
Interessant ist zudem, dass laut Staatsanwaltschaft keiner der vor Gericht gestellten Männer aus Wuppertal kommen soll. Erstaunlich: Auch der Staatsanwaltschaft wird bewusst sein, dass Patrick Petri zwar aus einem hessischen Ort stammt, er aber unmittelbar vor der Tat durchaus Wuppertaler war, ebenso wie Thomas Pick, der Antifa-Recherchen zufolge lange Wuppertaler gewesen ist und erst neuerdings in Dortmunder ansässig sein soll. Wir können den Impuls der Staatsanwaltschaft nachvollziehen, dass solche Leute nicht aus der Stadt kommen sollen, in der man lebt. Es ist aber falsch weiter zu verschleiern, dass Wuppertal ein massives Nazi-Problem hat. Der von der Staatsanwaltschaft ausgemachte mutmaßliche Haupttäter Patrick Petri hat z.B. nachweislich Kontakte zu den sehr aktiven Nazis von „Die Rechte Wuppertal“, die derzeit intensiv gegen die in Vohwinkel lebenden Geflüchteten hetzen.
Das Vorgehen von Wuppertaler Polizei und Staatsanwaltschaft ist bislang negativ herausragend. Erinnert sei an die Vorladungen und Beschuldigungen von Besucher*innen des Autonomen Zentrums wegen versuchten Mordes, auch nachdem die Polizei bereits einen geständigen Täter festgenommen hat, die bis heute noch nicht aufgehoben sind oder die Ermittlungen ausschließlich im Umfeld des AZs in der Tatnacht. Das Verhalten der Polizei muss öffentlich aufgearbeitet werden. Dies könnte auch Aufgabe einer kritischen Presse in Wuppertal sein. Wir rufen die Wuppertaler Öffentlichkeit zu einer sehr kritischen Beobachtung des ab dem 05. Oktober 2015 laufenden Prozess auf!
Zum Prozessauftakt am 05. Oktober wird eine Kundgebung ab 8:00 Uhr morgens vor dem Landgericht stattfinden, zu der wir Pressevertreter*innen herzlich einladen!
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