Eine vierte Erklärung


AZ Wuppertal 02.02.2016. / Eine vierte Erklärung

Am Samstagmorgen den 11.04.2015 um 1.00 Uhr wurde ein Freund unseres Hauses, ein Antifaschist mit türkischem Migrationshintergrund, auf der Straße vor dem AZ von mehreren Tätern angegriffen und mit zahlreichen Messerstichen in den Rücken und zusätzlich mit stumpfer Gewalt lebensgefährlich verletzt. Er lag mit kurzer Unterbrechung 4 1/2 Wochen im Koma und wird von dem Nazi-Angriff bleibende Schäden davontragen.
Wir grüßen unseren Freund an dieser Stelle aufs Herzlichste! 
Unsere Gedanken sind bei Dir und wir wünschen Dir weiterhin viel Kraft!

Die Täter sind Nazis, organisiert in der HoGeSa-Szene.
Seit dem 5.Oktober 2015 wird vor dem Wuppertaler Landgericht gegen Patrick Petri (25), Thomas Pick (43) und Rolf Becker (38) wegen versuchtem Totschlags und gemeinschaftlicher Körperverletzung verhandelt.
Für den morgigen 14 Verhandlungstag (03.02.2016) wird ein Urteil erwartet.

In unserer vierten Erklärung beleuchten und erläutern wir – bewusst ausführlich – Zusammenhänge und Hintergründe des mörderischen Naziangriffs, die uns bis heute bekannt sind bzw. weitergehende Fragen aufwerfen, insbesondere solche, die im Gerichtsverfahren gar nicht bzw. nur ansatzweise Erwähnung fanden.
Mit dem Ende des Prozesses und der möglichen Verurteilung der Täter ist die öffentliche und politische Aufarbeitung / Aufklärung des gesamten skandalösen Geschehens des mörderischen Nazi-Angriffs noch lange nicht erledigt.

¡No pasarán! – Sie werden nicht durchkommen!

Faşizme Karşı Omuz Omuza! – Schulter an Schulter gegen Faschismus!

Aufgrund der Länge, zwecks besserer Lesbarkeit und Verständniserleichterung haben wir die vierte Erklärung in Themenblöcke aufgeteilt:

1. Täter:

– Pick

– Petri

– Becker

2. Tatablauf

3. Tanja Saure Weinhold

4. WhatsApp – Komplex

5. Rettungseinsatz am Autonomen Zentrum

6. Polizei / Einsatzleitung /Ermittlungsbehörden

7. Vorladung wegen des Tatvorwurfs des versuchten Mordes an AZ-Besucher*innen

8. Zeugenschutz

9. Richter

10. Staatsanwaltschaft

11. Fazit


 

1. Täter:

Mit „Hooligans gegen Salafisten“ (HoGeSa) entstand 2014 ein neues Label für rassistische Mobilisierungen in Deutschland. Initiativ zur Gründung von HoGeSa wirkten Hooligans aus dem Kreis der GnuHonnters. Die Gruppe, deren Name von »New Hunters« (»Neue Jäger«) abgeleitet ist, entstand 2012 und sammelt mehrere hundert Hooligans aus ganz Deutschland. Ihr Credo fassten sie in einer Art Gründungserklärung zusammen: »Herstellung alter Werte, keine Antifa im Stadion und Meinungsfreiheit zurückgewinnen.«
Bei der Entstehung von HoGeSa spielen soziale Netzwerke eine zentrale Rolle. Hier dienen sie allerdings ebenso zur Mobilisierung wie zur Vernetzung und Verfestigung der Kontakte zwischen Neonazis und rechten Hooligans. HoGeSas Ausgangs­punkt, die Störung einer Veranstaltung des Salafisten Pierre Vogel am 07. Februar 2014 in Mönchengladbach, ähnelt durchaus den Aktionen der English Defence League (EDL). Die Schnittmenge der Gruppe mit dem klassisch neonazistischen Milieu ist von Anfang an offenkundig. Wie die EDL inszeniert sich HoGeSa einerseits als Opfer einer multikulturellen Mehrheitsgesellschaft, stellt aber andererseits bei ihren Demonstrationen aggressive Männlichkeit zur Schau.

Zwar beansprucht auch HoGeSa für sich, lediglich „Islamkritik“ zu üben, dass dies aber nur eine taktische Orientierung ist, um jenseits der rechten Szene ein möglichst breites Spektrum mobilisieren zu können, wurde spätestens im Oktober 2014 in Köln offensichtlich. Entgegen der Selbststilisierung als Opfer von Medien, linkem Mainstream, Migrant*innen, Überwachung und Überfremdung entlarvte sich HoGeSa im Jahr 2014 in Köln als das, was es ist: rechtes, rassistisches Tätervolk, das insbesondere antimuslimischen Rassismus schürt und ebenso Geflüchtete und Linke als Gegner fokussiert. 
Seit Oktober 2015 ist bekannt, dass der Verfassungsschutz, entgegen gegenteiliger Behauptungen, durch den Einsatz des V-Mann Roland Sokol von Anfang an detailliert über die als „HoGeSa“ bekannt gewordene Nazi-Hooligan-Bewegung informiert und in ihre Aktivitäten eingebunden war (siehe linksunten.indymedia.org/de/node/154693).

Wer sind die Täter in Wuppertal?


Zwei der Täter (Pick, 43 J. / Becker 39 J.) aus Wuppertal sind in etwa gleichen Alters wie der Täter des Angriff auf OB Henriette Reker am 17.Oktober in Köln und ebenso in den 90er Jahren politisch sozialisiert, der dritte Täter ist jünger, bewegt sich jedoch heute im gleichen Szenespektrum.
Zu ihrem politischen Hintergrund kann u.a. gesagt werden, dass sie alle drei über enge Kontakte zu Mario Leisering verfügen, der seit 2014 Mitorganisator der verschiedenen größeren und kleineren Hogesa-Zusammentreffen ist. Alle drei besuchten neben HoGeSa-Veranstaltungen ebenso Pegida und / oder Pro NRW Demonstrationen und/ oder Aufmärsche der Partei „Die Rechte“.
Im Folgenden dokumentieren wir bekannte Details zu den einzelnen Tätern:

– Pick

Thomas Pick, Sohn eines Wuppertaler Polizeibeamten, erscheint für uns als “Anführer bei der Tat”.

Vor Gericht zeigte sich der 43-Jährige Pick als Hardliner der Rechten Szene und hat sich nicht zur Tat eingelassen. Picks Kontakte in der Naziszene bestätigte der vorsitzende Richter bei Prozessbeginn dadurch, dass er den Kontakt zu “SS-Siggi” (Siegfried Borchardt – Borussenfront/Die Rechte Dortmund), Sturm 18 sowie der rechten Hool-Gruppierung “Berserker” erwähnte.

Pick war bestens in das rechte HoGeSa-Netzwerk eingebunden. Das zeigt seine aktive Teilnahme an Diskussionen in internen Chat-Gruppen (siehe “Whats-App”-Gruppe). Außerhalb der digitalen Vernetzung pflegt Pick persönliche Kontakte zu Mario Leisering aus Oberhausen, aber auch zu anderen HoGeSa-Nazis aus NRW, wie z.B. etwa Andreas Kraul. Außerdem hat er offensichtlich Kontakt zur lokalen Wuppertaler Alt-Hooliganszene. An einem der Prozesstage erschien Pick in Begleitung von Nadine Ten Wolde.

Pick nahm am 27. Oktober 2012 an einer PRONRW-Demonstration gegen den Moscheeneubau der DITIB in Wuppertal-Elberfeld teil. An dieser Demonstration beteiligte sich auch Dominik Roeseler (Pressesprecher von „Gemeinsam Stark Deutschland (GSD)“, Anmelder der Kölner HoGeSa-Demonstration am 26. Oktober 2014 und derzeitiger stellvertretender PRONRW-Vorsitzender) sowie die „German Defense League“ (GDL). Wenig glaubhaft versuchte sich im Nachhinein der stellvertretende Vorsitzende und Stadtverordnete Gerd Wöll von der Fraktion PRO Deutschland/DIEREPUBLIKANER von der Teilnahme Pick’s zu distanzieren.

Thomas Pick wohnte bis vor einigen Jahren in der Wuppertaler Nordstadt. Von Anfang April 2014 bis Oktober 2014 saß er im Gefängnis, danach wohnte er in der Innenstadt von Wuppertal-Elberfeld.

Thomas Pick war unter den über 50 Personen aus dem HoGeSa-Spektrum, die sich am Abend des 18. Januars 2015 in Köln versammelt hatten, um die öffentliche Gedenkveranstaltung anlässlich des 14 Jahre zuvor verübten NSU-Bombenanschlags in der Probsteigasse anzugreifen. Glücklicherweise wurde die Gruppe kurz vor Erreichen des Zieles zufällig entdeckt und für 29 Personen endete die Aktion zirka 150 Meter vom südlichen Ende der Probsteigasse im Polizeikessel. Bei der Durchsuchung der Personen fand die Polizei Pfefferspray, Quarzsandhandschuhe, einen Elektroschocker sowie allerlei Protektoren. Der restliche Teil der Gruppe flüchtete von der Polizei unerkannt in die umliegenden Seitenstraßen.

Nach der Tat am 11. April 2015 war Pick 10 Tage auf der Flucht, obwohl die Polizei wußte wo er sich aufhielt. Stationen waren die Wohnorte von von Tanja Weinhold, Tanja Greulich und später bei Werwitzki in Dortmund. Obwohl schnell relativ klar war, dass Pick an der Tat beteiligt war, konnte er sich nach 10 Tagen freiwillig bei der Polizei stellen (zu der Art und Weise der Vernehmung werden wir im Teil zur Polizei schreiben). Danach folgte keine Festnahme und U-Haft.

– Petri

Seit dem 14. April sitzt der 25-Jährige Patrick Petri als Hauptbeschuldigter in U-Haft. Er wuchs im hessischen Dieburg auf, wohnte vor der Tat in Wuppertal und absolvierte bis zu diesem Zeitpunkt eine Jobcenter-Umschulungsmaßnahme zum Koch in der Bildungseinrichtung E.D.B. (Erfolg durch Bildung) in Velbert. Petri ist u.a. vorbestraft wegen Verwendung verfassungsfeindlicher Kennzeichen von ehemaligen nationalsozialistischen Organisationen (§§86a) sowie wegen schwerer Körperverletzung.

Patrick Petri bewegt sich schon seit mehreren Jahren in der Naziszene. Er war NPD-Mitglied und zwischenzeitlich Schatzmeister der NPD Krefeld. Engen Kontakt zu Mario Leisering aus Oberhausen, der aktuell zu den führenden HoGeSa-Nazis in NRW gehört, hat er bereits seit mehreren Jahren. Nach einem seiner JVA-Aufenthalten, wo er bei der Essensausgabe wegen rassistischen Äußerungen auffiel, zog er nach Oberhausen. Dort war er beim „Freien Widerstand Oberhausen“ aktiv.

Am 30. Mai 2011 nahm Patrick Petri an einem Naziaufmarsch in Enschede (Niederland) teil. Dort trug er zusammen mit Leisering das Transparent vom „Freien Widerstand Oberhausen“. Spätestens seit diesem Zeitpunkt hat Patrick Petri Kontakte zu Teilen der Wuppertaler Nazistruktur „Nationale Sozialisten Wuppertal“ (heute „Die Rechte Wuppertal“). An der Demonstration nahmen u.a. Marius Dörschel (Freundeskreis Rade), Daniel Borchert (Nationale Sozialisten Wuppertal, heute „Die Rechte“) und Paul Breuer (FN Köln & Angeklagter im AB Mittelrhein-Prozess) teil. Auf der Rückfahrt von dieser Demonstration randalierten mehrere Nazis, so dass sie in Rheine von der Polizei in Gewahrsam genommen wurden. Unter ihnen befand sich neben Patrick Petri, Mario Leisering und Nazis vom „Freundeskreis Rade“ aus Radevormwald auch Daniel Borchert. Daniel Borchert ist ein langjähriges aktives Mitglied der Wuppertaler Nazistruktur und stand auf der „Die Rechte“-Kandidat*innenliste für die Europawahl 2013.

Patrick Petri besuchte am 15. November 2014 die HoGeSa-Kundgebung in Hannover und am 14. März 2015 die PEGIDA-Demonstration in Wuppertal. Ein Foto aus dem Internet zeigt Patrick Petri wie er hinter dem HoGeSa-Transparent den Hitlergruß zeigt. Links neben ihm ist Mario Leisering aus Oberhausen zu sehen.
Ob Petri zu den 50 Personen gehört, gegen die nach der PEGIDA-Kundgebung am 14. März ein Ermittlungsverfahren läuft, bleibt dennoch zu bezweifeln.

– Becker

Beim dritten Täter handelt es sich um den 39-Jährigen Rolf Becker aus Remscheid. Becker bewegt sich in der Hooligan-Szene von „Borussia Mönchengladbach“ und dem „FC Remscheid“, nennt sich auf Facebook „Rollo KC“ und pflegt Kontakte zu HoGeSa-Anhängern wie z.B. Andreas „Kalle“ Kraus aus NRW.
Wie Patrick Petri besuchte Rolf Becker am 15. November 2014 die HoGeSa-Kundgebung in Hannover und am 14. März 2015 die PEGIDA-Demonstration in Wuppertal.
Weitere Antifa-Recherchen in Zusammenhang mit dem Probsteigasse-Angriffsversuch ergaben, dass Becker ebenfalls am versuchten HoGeSa-Naziangriff in Köln beteiligt war.

Bezüglich der mörderischen Tat am 11. April 2015 gibt es in den folgenden Tagen Verbindungshinweise zur Partei “Die Rechte” und Mario Leisering von HoGeSa sowie der Vereinigung “Old School Society” (OSS).
Auf der Facebook-Seite von “Die Rechte Wuppertal” veröffentlichte Mario Leisering am 13. April 2015 einen Post, in dem er seinen Freund Patrick Petri grüßt, einen Angriff von nur 3 Personen auf das Autonome Zentrum schützend negiert und beschreibt, dass HoGeSa bei einem gezielten Angriff auf das Autonome Zentrum in Wuppertal mit mindestens 100 HoGeSa-Nazis aufgelaufen wäre. (vgl.www.vice.com/de/read/rechte-hools-haben…
Auf der Facebook-Seite der “Old School Society” (OSS) erschien bereits am Nachmittag des 11. April ein Post mit Zitaten der Pressemeldung der Wuppertaler Polizei zum Nazi-Angriff. Nach bundesweiten Razzien und 4 Festnahmen am 6.Mai 2015 hat die Bundesanwaltschaft im Januar 2016 wegen “Gründung einer terroristischen Vereinigung” und „Vorbereitung von “Sprengstoffanschlägen” Anklage erhoben.
Der Erstellungszeitpunkt dieses Facebook-Beitrages der OSS ist noch vor dem Post von Mario Leisering auf der Facebook-Seite vom „Die Rechte – Kreisverband Wuppertal“ und vor der ersten Meldung des Autonomen Zentrums Wuppertal zu den Geschehnissen. (linksunten.indymedia.org/de/node/143738)

Die „Oldschool Society“ hat auch Strukturen in NRW (antifabochum.noblogs.org/2015/05/rechte….

Bei Petri, Pick und Becker von einer “Nazi-Vergangenheit”, einem “Ausstieg aus der Rechten Szene” oder ähnlichem zu sprechen, wie die drei Täter es selbst vor Gericht versuchen oder von “drei Männer, die jedenfalls früher zur rechten Szene gehört haben sollen”, wie die Staatsanwaltschaft Wuppertal es in ihrer Pressemitteilung zum Prozessbeginn formulierte oder von “mutmaßlich rechtsorientierten Täter”, wie die Wuppertaler Polizei in ihrer beschränkenden Verfügung vom 28.01.2016 noch weiterhin tut, stellt den kläglichen Versuch dar, einen politisch motivierten, mörderischen Angriff zu einer zufälligen Auseinandersetzung abzustufen und den politischen Hintergrund zu negieren.

 

Wir fragen:

  • Was ist die Absicht hinter der Verleugnung des politischen Hintergrunds der Täter?
  • War einer der Täter Zuträger oder V-Mann einer Sicherheitsbehörde?
  • Was ist den Sicherheitsbehörden / der Wuppertaler Polizei bekannt zu den Verbindungen der Täter und des Täterumfelds zu weiteren rechtsterroristischen Vereinigungen?

 

2. Tatablauf:


Die Tat muss als einer der schwersten Angriffe von HoGeSa- Nazis 2015 eingeordnet werden. 
Der Ablauf des Tages bzw. des Abends der Nazis vor und nach der Tat stellt sich bislang folgendermaßen dar:
Es wurde sich in der Wohnung des Täters Thomas Pick in der Elberfelder Innenstadt mit Patrick Petri und Rolf Becker getroffen. Ein Anlass dieses Treffens soll nach Aussage von Petri und Becker gewesen sein, für die anstehende Fahrt auf die geplante Hogesa-Nazi-Demo in Karlsruhe am 19. April 2015 das Fahrgeld einzusammeln, um dieses an Mario Leisering weiterzuleiten. Der Nachmittag / frühe Abend wurde nach Aussagen von Petri gemeinsam an der Wupper, genauer am Islandufer verbracht, um im Anschluss wieder in die Wohnung Pick zurückzukehren. Bereits hier war die vierte Person Tanja Weinhold nach Aussagen des Gerichts ebenfalls anwesend. In der Wohnung wurde der Plan besprochen ins Autonome Zentrum zu gehen, sich dafür unauffällig zu kleiden sowie sich mit mindestens einem Messer und einem Teleskopschlagstock zu bewaffnen. 
Die drei Hogesa-Nazi-Täter Pick, Petri und Becker waren im AZ und Tanja Weinhold war zwischenzeitlich ebenfalls kurz anwesend.
Sie fielen nur einigen AZ-Besucher*innen durch unangemessenes Verhalten (z.B. zu große körperliche Nähe am Kicker, Frauen anstarren, gemeinsamer Gang aufs Frauenklo, Versuche Räume anzugucken) auf. Dies trug jedoch zunächst keine direkten Konsequenzen nach sich. Als Nazi wurde Thomas Pick durch den nachkommend eintreffenden Freund des AZ, das spätere Opfer, aufgrund einer weiter zurückliegenden Bedrohung an einem anderen Ort erkannt und zunächst AZ-intern benannt. Ca. zeitgleich haben sich Pick, Petri und Becker am Ausgang des AZ aufgehalten und wurden sodann darauf hingewiesen, dass sie nicht mehr reinkommen, da mindestens einer von ihnen eine Nazi-Vergangenheit habe. Die drei Täter fingen über den Umstand des Hausverbots Streit an in dessen Verlauf T. Pick P.Petri mit zweimaligem unauffälligem Zeichen geben über anstoßen mit der Hand aufforderte gemeinsam loszuschlagen. Dies geschah mit dem zeitgleichen Ruf: „Wir sind Hogesa!“ , den unbeteiligte Augenzeug*innen im Gericht bestätigten. Thomas Pick griff eine*n gegenüberstehende*n AZ-Besucher*in frontal an und zog einen Teleskopschlagstock. Patrick Petri griff unseren Freund direkt mit dem Messer an. Becker zog Pick aus dem Eingang des AZ heraus. In der Annahme alle AZ Besucher*innen befinden sich im AZ, ist aus Schutz vor den Hogesa-Nazi-Angreifern die Eingangstür zugezogen worden, ohne sehen zu können, dass sich unser Freund noch auf der Strasse vor der Tür befand, ein folgenschweres Versehen, dass dazu führte, dass er mit den drei Tätern allein war. 
Nach unabhängigen Augenzeug*innenberichten sind die drei Täter zu dritt weiter auf unseren Freund losgegangen und schlugen, traten und stachen mit dem Messer auf ihn ein als dieser bereits schutzlos am Boden lag, ein unabhängiger Fensterzeuge sprach in diesem Zusammenhang von einem sogenannten Stiefelkreis. Patrick Petri hat sich nach Erkenntnissen im Verfahren beim brutalen führen des Messers auf unseren Freund mit seinem eigenen Messer verletzt. Als sich das Tatopfer nicht mehr regte flüchteten die drei Täter gemeinsam, Zeug*innen beschreiben noch einen Ruf: „Vergiss nicht das Messer“ und „Verrecke du linke Sau“. Auf der anderen Straßenseite standen zu diesem Zeitpunkt nach Zeug*innenaussagen einige Leute, die von der später eintreffenden Polizei nie als Zeug*innen ermittelt bzw. vernommen worden sind. Unerkannt und unverfolgt flüchteten Petri, Pick und Becker gemeinsam über die Gathe in die Wohnung von Pick. Spätestens hier trafen sie wieder auf Tanja Weinhold. Gemeinsam wurde eine Geschichte eines Überfalls gesponnen, die Tanja Weinhold in der Rolle der „unbeteiligten Passantin“ der selbst gerufen Polizei vorgelogen hat.
Patrick Petri wurde mit einem gerufenen Rettungswagen ins Helios-Klinikum gebracht, wo er medizinisch versorgt wurde und von der Polizei zunächst noch in der Nacht gegen 2.40 Uhr als Zeuge vernommen worden ist. 
Zu der Art und Weise der Vernehmung berichten wir unter dem Punkt Polizei, hier nur soviel: der vernehmende Beamten wusste bereits zu diesem Zeitpunkt durch vorherige Abfrage, dass Petri “der Rechten Szene zuzuordnen” sei.

 

3. Tanja Weinhold

In den ersten Presseberichten hieß es, dass eine unabhängige Zeugin den Täter Patrick Petri nach seiner Flucht vom Tatort des Autonomen Zentrums an den City Arkaden entdeckt hat und die Polizei anrief. Das ist eine falsche Annahme gewesen, basierend auf Aussagen der Wuppertaler Polizei und Staatsanwaltschaft.

Im Verlauf des Prozesses hat sich herausgestellt, dass die scheinbare „Passantin“ Tanja Saure Weinhold (38 Jahre, Wuppertal-Langerfeld), die den Täter Patrick Petri vor den City Arkaden in der Elberfelder Innenstadt verletzt gefunden haben soll und daraufhin die Polizei alarmierte, im Verlauf des gesamten Abends mit den drei Tätern Pick, Petri und Becker in Kontakt stand bzw. sich mit ihnen gemeinsam bewegte.

Sie war anwesend bei der Planungsbesprechung und Bewaffnung in der Wohnung des Täters Thomas Pick. 
Sie war zwischenzeitlich am Tatabend im AZ mit den drei Tätern zusammen. Im Anschluss an die mörderische Tat, nach der die Täter Pick, Petri und Becker unerkannt und unverfolgt geflohen sind, war sie mit den Tätern in der Wohnung Pick.

Der Täter Petri, der sich selbst mit seinem eigenen Messer an Oberschenkel und Hand verletzt hat (oder war es einer seiner Freunde?), wurde von Pick, Becker und Weinhold in der Wohnung behandelt und in der Folge an den City Arkaden abgesetzt. 
Tanja Weinhold hat in Absprache mit den angeklagten Tätern die Polizei gerufen und eine fingierte Geschichte über den Fund Petris in der Stadt sowie eine gemeinsam erlogene Darstellung über einen Überfall in der Innenstadt der Polizei geschildert.

Tanja Weinhold ist zumindest eine Mitwisserin. Nach Zeugenaussage der langjährigen Ex-Lebensgefährtin von Thomas Pick Roswitha S. und ihrer Tochter im laufenden Prozess, ist Tanja Weinhold nach eigener Aussage von Pick ihnen gegenüber die einzige, die ihm „das Genick brechen könnte“.

Tanja Weinhold soll nach Aussage des Gerichts verschiedene Versionen des Ablaufs in der Tatnacht bei der Polizei ausgesagt haben, die sich in den Akten des Prozess befinden und im laufenden Verfahren nicht genauer thematisiert worden sind. Auch soll sie bereits im Vorfeld von Pick bedroht worden sein.

Weinhold war am 4.12. als Zeugin geladen. Sie gab an seit 11.11.2015 mit dem HoGeSa-Nazi Thomas Pick verlobt zu sein. Im gleichen Satz sagte sie, dass es hierfür Zeug*innen gäbe. Sie verweigerte daraufhin jede weitere Aussage.

Am 18.01.16. haben Thomas Pick und Tanja Weinhold geheiratet. Staatsschutz bzw. Sicherheitsbehörden – die auch den Prozess intensiv verfolgen – waren Teil der Hochzeitsgesellschaft und am Standesamt anwesend.
Vor Gericht hatten sie angegeben künftig „Saure“ als Ehenamen führen zu wollen. Auf dieses durchsichtiges Verschleierungsmanöver haben wir keine Lust, daher werden die beiden im Folgenden immer mit allen drei Nachnamen Saure, Pick, Weinhold benannt.

Ob Tanja Weinhold von Thomas Pick unter Druck gesetzt wurde, die Ehe einzugehen oder, ob sie dies freiwillig tat, um nicht gegen ihn aussagen zu müssen ist letztlich unerheblich. Fakt ist, sie hätte ihn zusätzlich vor Gericht belasten können, hat sich aber entschieden den Mordversuch mit zu decken. Sie ist mindestens Mitwisserin, wenn nicht gar Mittäterin.

Wir fragen:


  • Inwieweit wusste Tanja Saure Weinhold im Vorfeld von der Tat?
  • Welche Aussagen hat Tanja Saure Weinhold bei der Polizei getätigt, die den Täter Pick schwer belasten?
  • Welche Aufgabe hatte der Staatsschutz bzw. Sicherheitsbehörden bei der Hochzeit von Pick und Weinhold am 18.01.2016?

 

4. WhatsApp – Komplex


Im bereits angelaufenem Verfahren meldete der Staatsanwalt im Gericht, ihm sei vom Staatsschutz Wuppertal, namentlich Herrn Böttcher, eine Akte übergeben worden, die möglicherweise etwas mit dem Tatkomplex zu tun habe. Dem Staatsanwalt war über eine solche Akte im Vorfeld des Verfahrens laut eigenen Aussagen nichts bekannt, sie lag also zum Zeitpunkt der Ermittlungen der federführenden Ermittlungsbehörde scheinbar nicht vor.

Das Gericht erhielt diese Akte zur Einsichtnahme und verkündete an einem anderen Prozesstag, dass es in dieser Akte um Chat-Protokolle von WhatsApp-Gruppen gehe u.a. mit dem Namen „Angriffsparty“. Der Angeklagte Pick sei Mitglied dieser WhatsApp-Gruppen und an diesen Chats aktiv beteiligt ebenso wie Thomas Otten, Dennis Stedile und Marcel Vierke. Der Abschnitt zu Wuppertal sei nur ganz kurz und das Gericht habe noch nicht entschieden, ob diese Akte hinzugezogen werden soll.

Zunächst erhielten alle Verfahrensbeteiligten (Gutachter, Nebenklageanwältin, Verteidiger der Angeklagten) Einsicht in die Akte und dieser Themenkomplex wurde nicht weiter behandelt.
Am letzten Prozesstag, kurz vor Abschluss der Beweisaufnahme wurde ohne weitere Begründung die sogenannte „WhatsApp-Akte“ in kleinen Auszügen den Prozess eingeführt.

Im Folgenden erläutern wir unsere Erkenntnisse zum WhatsApp-Akten-Komplex:

Wie bereits oben unter dem Punkt Täter beschrieben, war Thomas Pick am Abend des 18.01.2015 am versuchten Angriff auf eine Gedenkveranstaltung anlässlich des 14 Jahre zuvor verübten NSU-Bombenanschlags in der Probsteigasse in Köln beteiligt.

Am 21.01.2015 ergeht eine richterliche Anordnung zur Hausdurchsuchung bei Thomas Pick zwecks Feststellung von 2 Handys, die jedoch nicht durchgeführt worden ist, da T. Pick an seiner Wohnung nicht angetroffen worden sei, jedoch im folgenden dazu stieß und 2 Handys ‚freiwillig’ abgibt.

Am 23.01.2015 wurde der Staatsschutz Wuppertal über den Vorgang informiert und erhielt eine Zusammenfassung. Die darauf folgende Vernehmung Pick durch den Vernehmungsbeamten des Wuppertaler Staatsschutzes Böttcher war oberflächlich, dünn ohne unbequeme Fragen und ohne weitere Erkenntnisse. Auf den Vorhalt Böttchers der Vorbereitung eines Anschlags, stritt Pick ein solches Vorhaben ab, kann sich nicht erklären woher solche Informationen stammen und fragt den Vernehmungsbeamten Böttcher dazu. Dieser sagt es gebe Chat-Protokolle. Daraufhin erklärt Pick Böttcher, dass sie darüber gechattet hätten wo Autonomen Zentren sind und der, der danach gefragt habe, sei einer der bei HoGeSa “das Sagen hat” und die Aktionen plant. Warum dieser so etwas wissen wollte, habe er (Pick) nicht gefragt und wie der hieße wisse er nicht, nur der Spitzname wäre bekannt. Auf diese Aussage hin stellte der Staatsschutzbeamte Böttcher keine weiteren Fragen, nicht einmal den Spitznamen wollte er wissen! Das Vernehmungsprotokoll schließt mit der 
Bemerkung Böttchers, dass Pick durchgehend kooperativ gewesen sei.

Spätestens zu diesem Zeitpunkt wusste die Staatsschutzabteilung der Wuppertaler Polizei vom Autonomen Zentrum Wuppertal als ein Angriffsziel einer Gruppe von 100 in einer WhatsApp-Gruppe namens „Angriffsparty“ vernetzter gewaltätiger HoGeSa-Nazis.

Thomas Pick brachte in diese Chat-Gruppe den Vorschlag des Angriffs auf das Autonome Zentrum in Wuppertal ein. Der Zeitpunkt eines Angriffs an dem unser Haus (AZ) gut besucht sein könnte (Öffnungszeiten und Konzerte) sowie die Art eines Angriffs (mit vielen Leuten hin bis zum Brandsatz werfen) wurden offen in der Chat-Gruppe diskutiert.

Als weiteres Ziel wurde das Linke Zentrum „Hinterhof“ in Düsseldorf erwähnt. Dies ergibt sich aus dem kurzen Abschnitt des Chat-Protokolls, der im Gericht verlesen wurde und aus dem Plädoyer der Anwältin der Nebenklage.

Was in den anderen WhatsApp-Gruppen mit den Namen “Arische Rasse 88”, “Hogesa Bergisches Land”, “Antifa-Feier sprengen” usw. geschrieben worden ist, ist bisher nur den Behörden bekannt, nicht jedoch der Öffentlichkeit geschweige denn den von der akuten Bedrohung Betroffenen.

Die Akte wird am 28.02.2015 geschlossen, ohne dass etwas weiteres damit geschieht.

Es gab zu keiner Zeit eine Warnung an das Autonome Zentrum Wuppertal bzw. linke Zentren von Seiten irgendeiner Behörde.

Von Beginn an waren wir uns sicher, dass die Täter das Autonome Zentrum als Ort eines Angriffs ganz bewusst aufgesucht haben (vgl. zweite Erklärung) aufgrund unser unablässigen Organisierung und Mobilisierung gegen rassistische Zustände und Naziumtriebe jedweder Art. Das war zum damaligen Zeitpunkt überdies ein logischer Schluss aus dem Wissen über Gewalttätigkeiten und Vernetzungen der verschiedenen und ineinandergreifenden Naziszenen und der Selbstenttarnung des NSU 2011.

Aus heutiger Sicht stellt sich klar heraus, dass es Planungen und Verabredungen zu Angriffen auf linke Zentren aus Reihen organisierter Nazis aus dem HoGeSa – Spektrum, womöglich vernetzt mit weiteren organisierten Nazistrukturen zumindest aus NRW, gegeben hat und gibt.
Dieses geschah mit konkretem Wissen der Polizei, die zu keinem Zeitpunkt die Betroffenen darüber informiert, bzw. gewarnt geschweige denn geschützt hat sondern vielmehr durch Verschweigen ihres Wissens den Tätern ermöglicht unerkannt zu handeln.

Wir fragen:


  • Wer hat die Beschlagnahmung der Handys veranlasst?
  • Was war der Anlass zur richterlichen Verordnung zur Beschlagnahmung der Handys von Pick?
  • Sind von noch mehr Handys der Angreifern des 18. Januars in Köln beschlagnahmt und ausgewertet worden?
- Welche Erkenntnisse liegen daraus vor?
  • Sind neben der Polizei weitere staatliche Behörden in diesen Vorgang verwickelt?
  • Sind V-Männer in den WhatsApp-Gruppen aktiv gewesen?
  • Wenn ja, wie viele?
  • Gab es bereits vor dem 18.Januar Erkenntnisse aus den verschiedenen WhatsApp-Gruppen z.B. bezüglich des versuchten Angriffs am 18. Januar?
  • Warum sind die Ermittlungen zum 18. Januar in Köln eingestellt worden?
  • Warum sind die Betroffenen / das Autonome Zentrum Wuppertal nicht über Planungen von Angriffen auf sie informiert worden?
  • Warum lag die Akte zum Zeitpunkt der Ermittlungen, spätestens seit bekanntwerden der Tatbeteiligung Thomas Pick der federführenden Staatsanwaltschaft und dem Remscheider Vernehmungsbeamten Baron von Thomas Pick nicht vor?
-
  • Wer hat entschieden, dass die Akte tatenlos geschlossen wird?
-
  • Was hat den Beamten des Wuppertaler Staatsschutzes Böttcher veranlasst, die „WhatsApp-Akte“ in das laufende Gerichtsverfahren nachzureichen?

 

5. Rettungseinsatz am Autonomen Zentrum

Spätestens am 5. Verhandlungstag wurde es über deutlich: Die Rettungskräfte wurden von der Polizei vom lebensgefährlich verletzten Opfer des Messerangriffs wegbeordert!

Bereits mehrere Zeug*innen hatten ausgesagt, dass die Rettungskräfte kurz nach ihrem Eintreffen die Behandlung wieder abbrechen mussten, weil sie von der Polizei abgezogen wurden. Dies hat sich nun durch die Aussage des erstbehandelnden Rettungsassistenten eindeutig bestätigt.
Die Besatzung des durch die AZ-Besucher*innen herbei gerufenen RTW wurde nicht nur unmittelbar ins Autonome Zentrum (AZ) gelassen, vielmehr seien sie bereits an der Straße eilig herbei gewunken und direkt zu dem lebensgefährlich Verletzten geführt worden, laut Aussage des Rettungsassistenten zu sechst: sein Kollege, er und vier uniformierte Streifenbeamte. Worauf sie unmittelbar und ungehindert mit der rettungsdienstlichen Erstversorgung beginnen konnten, bis sie plötzlich und für sie nicht nachvollziehbar durch die zeitlich später eingetroffene Einsatzleitung vom Opfer wegbeordert wurden.

Selbst der verwunderte Richter musste trotz mehrfachen Nachfragens schließlich konstatieren, dass sowohl den Rettungskräften als auch den zeitgleich eintreffenden Polizist*innen der Zutritt zum AZ nicht verweigert wurde und sie zusammen mit den Rettungskräften ungehindert zu dem lebensgefährlich verletzten Freund des Hauses geleitet wurden.

Nachdem die Rettungskräfte vom Schwerstverletzten abgezogen und von der Polizei nicht mehr ins AZ gelassen wurden, habe die etwas später eingetroffene Notärztin angeregt, dass zur Not der Patient auch durch die Polizei aus dem AZ gebracht werden könne, damit die weitere rettungsdienstliche Notfallversorgung fortgesetzt werden könne. Woraufhin die Polizist*innen zunächst versuchten den lebensgefährlich Verletzten auf einer Trage abzutransportieren. Die Trage passte jedoch nicht um die enge Ecke und so wurde der Schwerstverletzte anscheinend von Polizist*innen gepackt und ohne Trage aus dem AZ befördert.
Diese Schilderung, die sich wie bereits erwähnt, in zahlreichen bisher erfolgten Zeug*innenaussagen wiederfindet, offenbart in aller Deutlichkeit, dass Fehlverhalten der Polizei in dieser Nacht.

Wir fragen:


  • Wer hat die Rettungskräfte von unserem Freund abgezogen?
  • Wer hat die Lageeinschätzung getätigt?
  • Auf welcher Basis / Erkenntnis wurde diese Lageeinschätzung getätigt?
  • Wer waren die ersten Polizeibeamten vor Ort?
  • Warum findet sich über die eingesetzten Beamten nichts in der Akte?

 

6. Polizei / Einsatzleitung /Ermittlungsbehörden


Der folgende Abschnitt ist in drei Blöcke unterteilt: das Handeln der Polizei am Tatabend, Presse- und Öffentlichkeitsinformation der Wuppertaler Polizei und Vernehmung der Täter durch Vernehmungsbeamte der Polizei.

Das Handeln der Wuppertaler Polizei am Tatabend

Reflexhaft funktioniert bei der Wuppertaler Polizei das Feindbild gegen Links bzw. gegen Antifaschist*innen. 
Im Anschluss an den Angriff der drei HoGeSa-Nazis agierte die Wuppertaler Polizei eskalierend und unprofessionell, die Beamt*innen der Elberfelder Hauptwache Hofkamp handelten wie folgt:

  • Während der Notfallversorgung wurde das AZ von Polizeibeamt*innen gestürmt.
  • Die vom Nazi-Angriff unter Schock stehenden, sich in einer psychologischen Ausnahmesituation befindende Besucher*innen des Autonomen Zentrums wurden mit Schlagstöcken und Pfefferspray bedroht – diese wurden jedoch nicht zum Einsatz gebracht -.
  • Die Einsatzleitung des Abends beordert die bereits mit der Notfallrettung unseres Freundes beschäftigten Rettungssanitäter von dem Schwerverletzten weg mit dem Befehl: “Alle Rettungskräfte raus!”. Sie nahm dabei eine Verschlechterung des höchst-kritischen Gesundheitzustands des lebensgefährlich verletzten Opfer des mörderischen Naziangriffs billigend in Kauf.
  • Ermittlungen und Spurensicherungen in der Tatnacht und am darauf folgenden Morgen konzentrierten sich offensichtlich ausschließlich nur auf Zeug*innen bzw. Besucher*innen aus dem AZ.
  • Unabhängige Zeug*innen, die sich auf der anderen Straßenseite aufhielten wurden nicht ermittelt geschweige denn befragt.
  • Die eingesetzten Beamten trampelten ohne Rücksicht durch alle Spuren vor der Tür.
  • Anstatt mit einem direkt vor Ort angebotenen Schlüssel alle Räume im Haus zu betreten, wurden zwecks „Tatortsicherung“ fast alle Türen des Autonomen Zentrums eingetreten und zerstört.
  • Fluchtwege von Tätern wurden nicht überprüft.
  • Zeug*innen und Ersthelfer*innen aus dem Autonomen Zentrum wurden teilweise bis zum nächsten Mittag in Polizeigewahrsam festgehalten bzw. als Beschuldigte festgenommen.
  • Ein „blutverschmiertes Messer“, womöglich die Tatwaffe, wurde erst am Montag von der Polizei sichergestellt.

Presse- und Öffentlichkeitsinformation der Wuppertaler Polizei

Es gibt 2 Arten von Lügen:

  • Fälschen und Präsentieren falscher Informationen, so als seien sie wahr
  • und Verheimlichen und Weglassen wahrer Informationen.

Die Wuppertaler Polizei bediente sich beider Taktiken, nicht um die Öffentlichkeit mit ihren Informationen zu informieren, sondern um diese in ihrem Interesse zu beeinflussen. Aufheizen ist hier wohl das passendere Wort.

In ihrer ersten Pressemitteilung spricht die Polizei von einer „Auseinandersetzung“. Diese falsche Wortwahl kennen wir bereits aus dem geplanten Überfall von Wuppertaler Nazis auf Besucher*innen des Vohwinkler Flohmarkts und aus dem überregional organisierten Nazi-Überfall auf eine Vorstellung des Medienprojekts Wuppertal im Cinemaxx. Damals wie bis heute wird bewusst suggeriert, dies sei ein beidseitiger Konflikt zwischen „Rechts“ und „Links“, anstatt eindeutig die brutale einseitige schwere Verletzungs- und dieses mal Tötungsabsicht von Nazis zu benennen. Dieses Vorgehen muss als Opfer-Täter-Umkehr bezeichnet werden.

Weiterhin erzählte die Polizei die Geschichte ihres Einsatzes am AZ in verschiedenen Versionen:

In der ersten Pressemitteilung verlautbaren sie: „Bei Eintreffen der Rettungskräfte wurden Polizeibeamte und Rettungswagenbesatzungen im Gebäude von mehreren Angehörigen der linken Szene angegriffen und der Zutritt verwehrt. Erst durch den Einsatz von Pfefferspray und mittels Schlagstock konnten die Einsatzkräfte den Verletzten zur weiteren ärztlichen Versorgung aus dem Gebäude retten.“ 
(Pressemitteilung der Polizei Wuppertal 11.04.2015 – 08:58)

In der Lokalzeit vom 11.04.2015 behauptet die Polizeisprecherin Anja Meis: „es gab Widerstandhandlungen, dass heißt wir mussten unter Einsatz von Pfefferspray und Schlagstock in das Gebäude.“ (Lokalzeit vom 11.4.2015)

In der Lokalzeit vom 13.04.2015 wird die Geschichte ebenfalls durch die Polizeisprecherin Anja Meis wieder anders erzählt:„Die Kollegen sind in das Gebäude rein. Es gab Rangeleien und Schubsereien. Und da musste man auch zwischendurch wieder rausgehen, sich sammeln. Die verletzte Person konnte aber aus dem Gebäude gebracht werden und wurde dann aber weiter behandelt.“

Die verschiedenen Erzählungen der Polizei zeigen deutlich, dass hier absichtlich und berechnend Falschdarstellungen in Umlauf gebracht werden, die von der Presse zu diesem Zeitpunkt durchweg ungeprüft übernommen worden sind und so ein Bild von Besucher*innen des Autonomen Zentrums gezeichnet worden ist, als seien diese ein Haufen “Durchgeknallter”, die lieber gegen die Polizei kämpfen, als sich um ihren lebensgefährlich verletzten Freund zu kümmern.
Es wurden mutwillig AZ-Besucher*innen / Antifaschist*innnen von Seiten der Polizei verleumdet.

In dem Wissen, dass die zusammengelogene Geschichte über die Geschehnisse der Nacht womöglich nicht haltbar sein wird, verbreitet die Pressesprecherin der Wuppertaler Polizei immer neue Versionen des Einsatzablaufs, zuletzt am 13.04.2015.

Ab diesem Zeitpunkt schweigt die Polizei. Selbst von der Festnahme Petris und der Überführung in Untersuchungshaft am 14.04.2015 und der Ermittlung von Becker und Pick als die 2 weiteren Täter wird nicht öffentlich berichtet. Das Verheimlichen und Weglassen wahrer Informationen kommt hier zum tragen.

Am 15.05.2015, ca. 4 Wochen nach der Tat und der Ermittlung der Täter, veröffentlichte die Wuppertaler Polizei in einer kurzen Pressemitteilung den Abschluss der Ermittlungen, in dem sie neben einer Festnahme am 14.04.2015 und der Ermittlung zweier weiterer Männer (38 J./42 J.), die Zugehörigkeit zur Rechten Szene erwähnt und das alle drei bereits polizeilich in Erscheinung getreten sind. Es findet sich kein Wort über ihr eigenes Handeln und die Falschinformationen ihrer vorherigen Pressemitteilungen.

Das zuvor gezeichnete Bild bleibt in der Öffentlichkeit bestehen.
Die Falschmeldungen von damals ermöglichen es sich heute erneut auf das damalige Narrativ zu beziehen und das aktuelle polizeiliche Vorgehen nochmals damit zu begründen. (vgl. Beschränkende Verfügung der Versammlung der Polizei Wuppertal vom 28.01.2016 im Anhang der Pressemitteilung der Partei ‘Die Linke’ vom 1.2.2016; www.njuuz.de/beitrag33699.html)

Es muss den Sicherheitsbehörden unterstellt werden, dass mit der Lancierung von Falschmeldungen eine bewusste Fehlinformation der Öffentlichkeit betrieben worden ist, mit dem Ziel diese in ihrem Interesse zu beeinflussen.

Es muss den Sicherheitsbehörden unterstellt werden, dass der HoGeSa / Pegida-Nazi-Hintergrund der Tat verharmlost, bagatellisiert, relativiert und letztendlich negiert werden soll. Rechte Gewalt wird nicht benannt.

Vernehmung der Täter durch Vernehmungsbeamte der Polizei

Bereits im oben stehenden Abschnitt zum WhatsApp-Akten-Komplex haben wir den nicht von Erkenntnisinteresse geleiteten, oberflächlichen Vernehmungsstil des Staatsschutzbeamten Böttcher beschrieben.
Diese handeln von Vernehmungsbeamten zieht sich insbesondere bezogen auf die Vernehmungen von Petri und Pick fort.

Die erste Vernehmung Petris fand um 2.40 Uhr im Helios-Krankenhaus statt. Ein Eintrag im Polizeicomputer als “rechtsmotiviert” war dem vernehmenden Beamten bekannt. Petri wurde als Zeuge einer Straftat vernommen und sagte lediglich aus, er sei von Unbekannten mit einer Flasche auf den Kopf geschlagen worden. Die zweite Vernehmung fand im Laufe des 11.04.2015 auf Wunsch Petris durchgeführt von dem Beamten Kämmler, damals in Wuppertal tätig, nun arbeitend beim LKA ebenfalls im Krankenhaus statt. Bereits hier sagt Petri nach Aussage Kämmlers im Prozess aus, er sei in der Nähe vom AZ aus einer Gruppe heraus mit der Flasche auf den Kopf geschlagen worden. Die Verbindung Petris zum Tatort des mörderischen Naziangriff wurde durch ihn selbst also bereits am 11.04.2015 hergestellt. Der Beamte Kämmler stufte ihn als Gefährdeten ein und bot Polizeischutz an.
Die dritte Vernehmung fand im Beisein des Rechtsanwalt Sauter bei der Polizei statt. In dieser Vernehmung behauptet der Täter Petri er sei nicht im AZ gewesen, aber davor und dort angegriffen worden. Die Namen seiner Freunde wolle er nicht nennen er sage nur soviel dazu: der Eine sei ein Hooligan, der andere ein distanzierter Rechter. In der vierten Vernehmung am 15.04.2015 sagte Petri aus, er sei im AZ gewesen. 
Der Vernehmungsbeamte bestätigte vor Gericht auf Nachfrage, dass ihm eigentlich alle Informationen der laufenden Ermittlung zur Verfügung hätten stehen müssen, von der “WhatsApp-Akte” hatte er keine Kenntnis. Weiter sagte er, die Geschichte von Petri sei ihm schon komisch und widersprüchlich vorgekommen, aber: nichts weiter.

Nach der Tat am 11. April 2015 war Pick 10 Tage auf der Flucht, obwohl die Polizei durch seine Ex-Lebensgefährtin Roswitha S. wusste wo er sich aufhielt, geschah nichts weiter. Nach terminlicher Vereinbarung durch seinen Anwalt spazierte er 10 Tage nach der Tat auf eine Polizeiwache in Remscheid um dort seine erste und einzige Aussage zu tätigen. Er diktierte dem Vernehmungsbeamten Baron kurz und knapp seine Version des Tatgeschehens in die Feder. Das Vernehmungsprotokoll war dermaßen kurz, dass es selbst den vorsitzenden Richter quasi fassungslos machte. Das Protokoll sei „höchstens einem Ladendiebstahl würdig“. Der Polizist hat nicht eine Nachfrage zu der Tat oder zur genaueren Sachverhaltsermittlung gestellt – es wurde immerhin wegen versuchtem Mord ermittelt -.

Er fragte lediglich am Ende: “Möchten Sie dem noch etwas hinzufügen?” und als dieses von Pick verneint wurde, war die Vernehmung beendet. Von Erkenntnisinteresse keine Spur und obwohl Thomas Pick als gewalttätig und der Extremen Rechten zugehörig der Polizei bekannt sein muss, obwohl er zu diesem Zeitpunkt akut verdächtig für diesen versuchten Mord war, wurde seine Version des Abends als glaubwürdig eingeschätzt und er wurde von Vernehmungsbeamten einfach gehen gelassen. Das machte im Verfahren selbst den Richter stutzig bis sprachlos. Der Täter Pick schweigt seitdem.

Der Fisch stinkt – der Kopf erst recht

Es war nicht nur der Einsatzleiter des Abends, der die Situation “falsch” einschätzte.

Es war nicht nur die Spurensicherung, die schlampte.

Es war nicht nur der / die einzelne Streifenpolizist*in, der / die schon immer mal gegen die von ihm / ihr verhassten Autonomen vorgehen wollte.

Es war nicht nur die einzelne Polizeisprecherin, die gelogen hat.

Es war nicht nur die Mordkommission, die versäumt hat ihre Ermittlungsergebnisse an die Öffentlichkeit weiterzugeben.

Es waren nicht nur die Vernehmungsbeamten Böttcher, Klämmer, Baron, die eine Vernehmung vergeigt haben.

Und so weiter, und so weiter, und so weiter……..

Die ganzen Lügen, das Schweigen und gezielte Nicht-Ermitteln gegen Nazis liegt im System, der Struktur und der Institution begründet: 
Mit Schlampigkeit oder Fehlverhalten eines einzelnen Beamten ist ein solches Verhalten, das quasi alle Abteilungen der Wuppertaler Polizei betrifft, nicht zu erklären.

Der gesamte Sachverhalt zum Thema Polizei / Ermittlungsbehörden spielt in dem Prozess gegen die drei Täter Pick, Petri und Becker keine Rolle, bedarf jedoch der dringenden öffentlichen Aufklärung.

Es ergeben sich hieraus hunderte von Fragen!

Wir erwarten Antworten und befürchten dennoch, dass diese ähnlich unbefriedigend ausfallen, wie diejenigen aller Sicherheitsbehörden in den Parlamentarischen Untersuchungsausschüssen der Länder und des Bundes zum NSU-Komplex, denn heutzutage fangen alle richtigen Märchen nicht mehr mit „Es war einmal…“, sondern mit: „Ich kann mich nicht mehr erinnern…“an.

Wir fragen zunächst nur eines:


  • Frau Polizeipräsidentin Radermacher, ist das ihr Programm “Hellwach gegen Rechts” mit den drei Säulen Strafverfolgung, Prävention, polizeiinterne Information, das hier zur Geltung kommt?

 

7. Vorladung wegen des Tatvorwurfs des versuchten Mordes an AZ-Besucher*innen

In der Folge des mörderischen Nazi-Angriffs setzte die Polizei ihren Angriff auf Besucher*innen des Autonomen Zentrums fort. Zeug*innen und Ersthelfer*innen aus dem Autonomen Zentrum wurden teilweise bis zum nächsten Mittag in Polizeigewahrsam festgehalten bzw. als Beschuldigte festgenommen. Ersthelfer*innen wurden mit Plastiktüten über den Händen in Handschellen ins Polizeigewahrsam gebracht. 
Freunde und Bekannte des Opfers wurden von Beginn an als Beschuldigte geführt, ohne eine andere Spur zu verfolgen (vgl. Abschnitt Vernehmung Petri).

Mindestens 8 der anwesenden AZ-Besucher*innen erhielten Vorladungen, zwei davon mündlich, in denen sie grund- und haltlos der Tat des versuchten Mordes bzw. Totschlags beschuldigt wurden. Zur Deutlichkeit noch einmal: nicht als Zeug*innen, sondern als Beschuldigte.

Diese lagen zum Teil bereits Sonntags morgens in den Briefkästen der Betroffenen. Die Wuppertaler Polizei verschickte diese jedoch auch noch, nachdem sie mit Petri schon einen dringend Tatverdächtigen festgenommen hatte.

Alles in allem fand eine typische Opfer-Täter-Umkehr statt.

Zu Beginn des Verfahrens am 5. Oktober lagen für Besucher*innen aus dem AZ, die als Zeugen im Prozess aussagen sollten, keine Einstellung des Verfahrens gegen sie vor.

Gegen unseren Freund, das Opfer des Nazi-Angriffs, wurde ebenso ermittelt und er wurde im ganzen Verlauf des Verfahrens auch als Beschuldigter geführt.

Die Kriminalisierung der Hilfeleistenden aus dem Autonomen Zentrum und eine Opfer-Täter-Umkehr, die die Opferberatung Rheinland und die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus NRW in ihrem offenen Brief an die Wuppertaler Polizeipräsidentin Birgitta Radermacher befürchtete (vgl. www.wuppertaler-rundschau.de/lokales/ei…, ist bittere Realität in Wuppertal.

Unsere Stadt ist an diesem Punkt kein Einzelfall. Als schreckliche und katastrophale Beispiele müssen in diesem Zusammenhang die Ermittlungen um die Morde des NSU und den Nagelbombenanschlag auf die Kölner Keupstraße genannt werden. Dieses Vorgehen bzw. Falsch- und Nicht-Vorgehen nach Gewalttaten mit rechtem menschenverachtenden und / oder rassistischem politischen Hintergrund ist, trotz gegenteiliger Behauptungen nach der Selbstenttarnung des NSU 2011, noch immer tief in den Strukturen der ‚Sicherheits’-Institutionen verankert.

Wir fragen:


  • Hat sich überhaupt etwas innerhalb der Behörden seit der Selbstenttarnung des NSU 2011 verändert?
  • Sind alle Verfahren gegen Besucher*innen des Autonomen Zentrum am 11.04.2015 eingestellt?
  • Wer ist verantwortlich für die grund- und haltlosen Beschuldigungen?
  • Was hat Polizeipräsidentin Birgitta Radermacher im Polizeiausschuss hierzu erklärt?

 

8. Zeugenschutz

Besucher*innen des Autonomen Zentrums, die als Zeug*innen vor Gericht ausgesagt haben, haben im Vorfeld eigenständig bzw. über die Opferberatung Rheinland das Unkenntlichmachen bzw. Schwärzen ihrer Namen und Adressen in den Akten beantragt, da von einer weiteren hohen Bedrohungslage durch Nazi-Angriffe auszugehen ist. Diese Möglichkeit des Schutzes besteht nach §68 Strafprozessordnung. Hierzu bedarf es einer Einschätzung der Bedrohungslage.

In Wuppertal sind bereits vor, während und nach Aussagen vor Gericht gegen Nazis in anderen Verfahren Zeug*innen bedroht worden. Dieser Umstand ist der Wuppertaler Polizei sowie der Wuppertaler Staatsanwaltschaft, z.B. aus dem Verfahren um den Überfall von Nazis auf linke Flohmarktbesucher*innen, durchaus bekannt.

Trotz der Anträge (mündlich und schriftlich): alle Namen und Adressen, teilweise ebenso die der Eltern und Telefonnummern sind vollständig lesbar in den Akten vorhanden. Kein einziges Unkenntlichmachen bei Zeug*innen aus dem AZ-Umfeld hat funktioniert.

Erstaunlicherweise stellte sich jedoch im laufenden Verfahren heraus, dass bei vier unabhängigen Zeug*innen genau dieser Vorgang reibungslos und ohne Antrag, ja sogar ohne einen eigenen Wunsch auf Anonymisierung, durchgängig sicher erledigt wurde.
Diese vier Zeug*innen wurden in der Akte als X01-X04 geführt und der Staatsanwalt musste aus seinem Tresor aus dem Büro zunächst die geschlossenen Umschläge selbst holen, damit die jeweiligen Zeug*innenaussagen in der Akte, den anwesenden Zeug*innen zugeordnet werden konnten. Ohne Abklärung und Aufklärung über eine Gefährdungslage wurde diese Anonymisierung von Seiten des Richters im laufenden Prozess aufgehoben.

Wir fragen:


  • Wer ist für die Einschätzung der Gefahrenlage sowie den mangelnden Zeug*innenschutz verantwortlich?
  • Warum hat es durchgehend bei allen Besucher*innen des AZ nicht funktioniert, in anderen Fällen jedoch sehr wohl?
  • Wer hat diese unterschiedliche Behandlung zu verantworten?
  • Wie hoch ist eine Bedrohungslage für Zeug*innen nach dem Urteil?

 

9. Richter

Dem Vorsitzenden Richter ist „das Politische im Prozess scheißegal“, das hat er nicht nur in dieser drastischen Aussage deutlich gemacht, es zeigt sich auch immer wieder in seiner Art der Prozessführung.

Die Befragung der Zeug*innen durch den Richter ist höchst unemphatisch und zeitweise total daneben. Er ließ sich mehreren Zeugen gegenüber zu der Ausdrucksweise herab “Die Action haben sie nicht gesehen?”

Nachdem durch die Vernehmung eines LKA Sachverständigen deutlich geworden war, das die Einlassung Petris falsch war, sagte der Richter zu dessen Rechtsanwalt Sauter “Sie können die Kleidung ja einmal anziehen, dann kann Petri demonstrieren wie er das gemacht haben will”. Darauf der Rechtsanwalt Sauter: “Nein, der Nebenkläger kann die Kleidung nochmal anziehen und sich auf Herrn Petri legen…” Die Nebenklageanwältin hat dieses widerliche Wortgeplänkel zum Glück sofort unterbunden.

Die mangelnde Empathie und Vorstellungskraft des Richters trat auch bei der direkten Befragung des Nebenklägers auf erschreckende Weise zu Tage. So regte er an, die Wunden des Geschädigten könnten doch durch die, als Zeugin geladene, Rettungsärztin untersucht werden und dies könne sicherlich auch im Verhandlungssaal stattfinden – Männer seien da meist nicht so eigen. Durch Eingreifen der Anwältin des Opfers konnte dies verhindert werden und fand in einem abgeschlossenen Nebenraum statt.

Sobald durch mehrere Zeug*innenausagen deutlich geworden war, dass die Rettungskräfte nicht durch die AZ-Besucher*innen behindert, sondern durch die Polizei wegbeordert wurden, stellte der Richter fest: “Der Komplex interessiert uns nicht mehr, wir stellen keine Fragen mehr dazu.”

Zeug*innen aus dem Umfeld des Betroffenen, die bei der Befragung durch die Polizei die Aussage bzw. Unterschrift von vorgelegten Dokumenten verweigerten, hielt der Richter vor, dies sei für die Angehörigen von Opfern äußerst unüblich, diese seien normalerweise hilfsbereiter. 
Immer wieder hinterfragte er warum Freund*innen des Nebenklägers diesen nicht nach dem Tathergang gefragt hätten. Dass Freund*innen Rücksicht auf den lebensgefährlich verletzten Freund nehmen und ihn deshalb nicht nach dem traumatisierenden Angriff der drei HoGeSa-Nazis gefragt haben, ist ein Gedanke der dem emphatiefreien Richter vollkommen fremd scheint.

Der Richter befragte zahlreiche Zeug*innen aus dem Umfeld des Nebenklägers immer wieder auch nach Hören-Sagen (Wann haben Sie mit wem, was geredet?) und ihrer Einschätzung des Nebenklägers (Wie würden Sie ihn beschreiben?). Durch solche und ähnliche Fragen klammerte der Richter bewusst schon in der Befragung der Zeug*innen das Politische aus und reduzierte den mörderischen Angriff auf eine persönliche Auseinandersetzung.

Großes Interesse zeigte er auch an den AZ-Strukturen, so frage er immer wieder wen die Zeug*innen noch kennen würden oder mit wem sie potenziell über das Geschehen gesprochen haben könnten. Interessant, da ihn doch angeblich das Politische nicht interessiert. Aber das scheint nur soweit zu gelten, dass ihm die politischen Aspekte der Tat nicht interessieren. So unterstellte er einigen der Zeug*innen aus dem AZ Umfeld auch, sie seien beeinflusst worden: „Wer hat Ihnen gesagt, dass Sie nichts sagen dürfen?“ Eine Frage, die er Zeug*innen aus dem Täterumfeld nicht stellte, obwohl es immer wieder Hinweise auf Einschüchterungsversuche und Bedrohungen, vor allem durch Thomas Pick/Saure/Weinhold gab.

 

10. Staatsanwaltschaft

Bereits vor Prozessbeginn begannen die Verrenkungen der Staatsanwaltschaft um den politischen Hintergrund der Tat zu bagatellisieren und zu negieren.

Die Staatsanwältin Monika Olschak erklärt in der Lokalzeit: „Es sei bedingt durch den Tatort, dass man auch in diese Richtung ermittelt, aber aktuell haben wir keine festen Anhaltspunkte dafür, dass es tatsächlich eine politische Tat bzw. mit rechtem Hintergrund ist.“ (Lokalzeit 13.04.2015). Zu diesem Zeitpunkt hatten sich bereits unabhängige Zeug*innen bei der Polizei gemeldet, die die Täter als Nazis erkannt hatten uns der Täter Patrick Petri war bereits befragt worden.

Angeklagt wurde „nur“ versuchter Totschlag und gemeinschaftliche Körperverletzung, bei einer politischen Bewertung der Tat wäre eine Mordanklage angemessen gewesen, so wie die Bundesanwaltschaft es im Fall der Oberbürgermeisterin von Köln Henriette Reker tut. Der für eine solche Anklage notwendige Vorsatz ergibt sich aus dem politischen Hintergrund und der Planung der Täter. Es handelt sich nämlich keinesfalls um eine zufällige Begegnung verschiedener Menschen, die eskalierte, sondern vielmehr um ein bewusstes Aufsuchen und Angreifen des politischen Gegners. Spätestens seit Bekanntwerden der WhatsApp Akte und der dort dokumentierten Anschlagspläne ist dies offensichtlich.

Doch dass es sich hier um einen rechten Mordanschlag handelt, wird, vermutlich wegen des damit einhergehenden Imageschadens für die Stadt Wuppertal, versucht mit allen Kräften zu verschleiern. So ist in der Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft zu Prozessbeginn (23.09.2015) von Tätern die Rede, die „jedenfalls früher zur rechten Szene gehört haben sollen”. Das alle drei Angeklagte zum Tatzeitpunkt in Wuppertal bzw. dem Städtedreieck wohnen, wird in dieser Pressemitteilung ebenfalls übertüncht, denn Wuppertal „darf“ kein Naziproblem haben. Blinder als die Wuppertaler Staatsanwaltschaft kann auf dem rechten Auge wohl nur noch die Wuppertaler Polizeipräsidentin Birgitta Radermacher sein.

Und so beendet der Staatsanwalt passender Weise sein Plädoyer mit dem Wunsch, der Angeklagte Becker möge mithilfe eines Bewährungshelfers wieder auf den rechten Weg geführt werden.

 

12. Fazit

In Wuppertal hat es am 11.04.2015 einen versuchten Mordangriff von organisierte HoGeSa-Nazis auf einen Antifaschisten mit türkischem Migrationshintergund vor dem Autonomen Zentrum gegeben, der mit stumpfer Gewalt und vielfachen Messerstichen lebensgefährlich verletzt worden ist.

In der Folge des Nazi-Angriffs wurden Besucher*innen des Autonomen Zentrums von Seiten der Polizei massiv kriminalisiert und verleumdet.

Das politische Motiv und die politischen Hintergründe der Tat werden bis heute verleugnet.

Das Erschreckenste an Lügen ist ihr durchschlagender Erfolg!

Einen großen Aufschrei über das Geschehen und eine breite Solidarität der Wuppertaler*innen mit dem Opfer ist bisher ausgeblieben.

Auch wenn der Prozess gegen die Täter Petri, Pick und Becker morgen mit einem Urteil beendet wird, bleiben viele Fragen bisher ungeklärt.

Es ist deutlich, dass das jeweilige Handeln der Sicherheitsbehörden nicht nur auf ein individuelles Versagen von Einzelpersonen und deren politische Einstellungen zurückzuführen, sondern systemimmanent, institutionell und strukturell ist.

In dem Bestreben Rechtsterrorismus zu leugnen, werden politische Hintergründe der Tat verschwiegen. Das führt zu einem Verkennen der Gefährlichkeit von nazistischen, rassistischen und menschenfeindlichen Bewegungen. Dieses Wegsehen suggeriert nicht nur eine heimliche Unterstützung für ein solches Gedankengut sondern hilft in der Praxis denjenigen in der Extremen Rechten, die auf Worte Taten folgen lassen.

Das Verschweigen und Nicht-Benennen politischer Motive von Rassismus und Menschenverachtung sowie die Kultur des Tolerierens und Wegschauens trägt dazu bei, Dimensionen rechter Gewalt zu verharmlosen und führt zu einem weiteren Erstarken rassistischer, menschenfeindlicher Bewegungen jeglicher Art.

Solidarität mit den Betroffenen rassistischer, antisemitischer, sexistischer und menschenfeindlicher Hetze und Gewalt!

¡No pasarán! – Sie werden nicht durchkommen!


Faşizme Karşı Omuz Omuza! – Schulter an Schulter gegen Faschismus!

PS: Ganz herzlichen Dank an die autonome Strukturen Aachen, die Opferberatung Rheinland, die Freund*innen aus Bremen, die Initiative Keupstraße ist überall, Out of Action und insbesondere an die Menschen die das Cafe so lange am Laufen gehalten haben und noch weiterhin tun!

Ihr seid toll!!!

SPOT ON! Die Lügen ans Licht bringen!

Kommt am 2. Februar 2016 um 18:30 zur Polizeihauptwache Hofkamp! Am Tag darauf wird mit hoher Wahrscheinlichkeit das Urteil im HoGeSa-Nazi-Prozess gesprochen. Unter anderem nicht verhandelt wurde bei diesem Prozess das Vorgehen von Birgitta Radermacher’s „hellwacher“ Polizei! Lasst uns die dreisten Lügen der Polizei nicht mehr hinnehmen!

11. April 2015

Vor nicht einmal einem Jahr am 11. April 2015 wurde vor dem Autonomen Zentrum ein Antifaschist mit türkischem Migrationshintergrund von drei HoGeSa-Nazis angegriffen und mit mörderischer Gewalt durch mehrfache Messerstiche in den Rücken, Schlägen und Tritten lebensgefährlich verletzt.

Die Polizei verstärkt durch ihr Vorgehen den mörderischen Nazi-Angriff!

Im Anschluss an den Angriff agierte die Wuppertaler Polizei, konkret die Beamt*innen der Elberfelder Hauptwache Hofkamp, wie folgt:
Die Polizei, allen voran der Einsatzleiter dieses Abends Lonken, ging von Beginn an, ohne zu zögern von einer Täterschaft aus dem Autonomen Zentrum, sprich aus den Umfeld der von Polizei/Justiz und Staat verhassten Autonomen aus. Das führte dazu, dass die Ermittlungen sich nur auf das Autonome Zentrum konzentrierten. Ob es nur ein anti-emanzipatorischer Reflex war oder eiskalte Berechnung bleibt noch offen.
Die Polizei ging so weit, dass sie die bereits mit der Rettung des Opfers beschäftigten Rettungskräfte aus dem AZ kommandierte, da diese dort angeblich nicht sicher seien. Ein Rettungsassistent sagte jedoch deutlich vor Gericht aus, dass sie zu keiner Zeit in irgendeiner Gefahr ausgesetzt waren. Die Polizei zog ihr Programm dennoch durch und schleppte den lebensgefährlich Verletzten schließlich am Gürtel aus dem AZ.

Nur aufgrund der Tatsache, dass aus dem Täter-Umfeld heraus ein Krankenwagen in die Innenstadt gerufen wurde – da sich der brutale Nazi-Messerstecher selbst verletzt hatte – griff die Polizei noch in der Nacht den jetzt als Haupttäter vor Gericht stehenden Patrick Petri auf. Spätestens ab diesem Moment muss der Wuppertaler Polizei sonnenklar gewesen sein, wie falsch sie mit ihrem auf das AZ gerichteten Handeln lag. Aber anstatt sich ordentlich zu schämen und eines Besseren zu besinnen, verschleiert die Polizei, durch ihre noch in aller Frühe veröffentlichte Pressemitteilung, die wahren Ereignisse der Nacht mit eiskalten, berechnenden und dreisten Lügen. Die Besucher*innen des Autonomen Zentrums wurden als solch Durchgeknallte beschrieben, die sich lieber eine Schlacht mit der Polizei liefern als einem schwerstverletzten Freund zu helfen. Das ist besonders widerwärtig vor dem Hintergrund, dass es die Polizei war, die es in Kauf nahm die Situation für das Opfer noch einmal zu verschärfen. Auch die angeblich eingesetzten Schlagstöcke und das Pfefferspray müssen so dezent eingesetzt worden sein, dass es keine*r außer der Polizei selber, merkte.

Die Lügen in der Pressemitteilung waren aber nur der Anfang!

In der Folge des mörderischen Nazi-Angriffs – in der Nacht hat die Polizei übrigens außerdem noch das AZ durchsucht und trotz angebotenem Schlüssel alle Türen eingetreten – setzte die Polizei ihren Angriff auf die verhassten Autonomen, Punks usw. fort. Viele der anwesenden AZ-Besucher*innen erhielten Vorladungen als Beschuldigte in einem Verfahren wegen Mordversuch!
Die Wuppertaler Polizei verschickte diese auch noch, nachdem sie mit Petri schon einen dringend Tatverdächtigen hatte. Die Staatsanwaltschaft setzte das Vorgehen der Polizei eifrig fort.
Vergessen werden wir in dem Zusammenhang auch nicht, die in den nächsten Monaten folgende Drangsalierung einzelner Aktivist*innen und die brutalen Übergriffe auf das Punx-Treffen im Sommer 2015 am Brunnen in der Elberfelder Innenstadt.

Es hört nicht auf!

Vor Gericht trat jetzt noch einmal Ungeheuerliches zu Tage. Thomas Pick, einer der Täter, der bekanntermaßen an dem versuchten Überfall auf eine Gedenkveranstaltung anlässlich des NSU-Bombenanschlags in der Kölner Probesteigasse am 19.01.2015 beteiligt war, hatte bereits am 23.Januar 2015 auf richterlichen Beschluss seine Handys der Polizei übergeben müssen. Über diese Handys stieß die Polizei auf eine “WhatsApp”-Gruppe mit mindestens hundert teilnehmenden Nazis und rechten Hooligans, die dort verschiedene Angriffsziele und Szenarien berieten und planten. Unter anderen wurde bereits zu diesem Zeitpunkt dort das Autonome Zentrum Wuppertal als ein Angriffsziel genannt. Als eine mögliche Angriffsart wurde auch ein Brandanschlag, mit Menschen im Haus(!), diskutiert. Die Polizei hielt es offensichtlich nicht für notwendig, die betroffenen Institutionen zu warnen oder etwa dieses Wissen in die Ermittlungen zu dem mörderischen Messerangriff einfließen zu lassen.

Wir sagen Schluss mit den Lügen!
Wir sagen Schluss mit dem dreisten Vorgehen der Wuppertaler Polizei gegen Linke!

SPOT ON – Irgendwann kommt es ans Licht!

Die Passantin, die keine Passantin ist!

Die drei HoGeSa-Nazi-Täter waren am Abend des mörderischen Angriffs am 10./11. April nicht „nur“ zu dritt unterwegs.

Wir waren bisher davon ausgegangen, dass eine unabhängige Zeugin den Täter Patrick Petri nach seiner Flucht vom Tatort des Autonomen Zentrums an den City Arkaden entdeckt hat und die Polizei anrief. Das ist eine falsche Annahme gewesen, basierend auf Aussagen der Wuppertaler Polizei, Staatsanwaltschaft und Veröffentlichungen in lokalen Medien.

Im Verlauf des Prozesses vor dem Wuppertaler Landgericht hat sich herausgestellt, dass die scheinbare „Passantin“ Tanja Weinhold (38 Jahre, Wuppertal-Langerfeld), die den Täter Patrick Petri vor den City Arkaden in der Elberfelder Innenstadt verletzt gefunden haben soll und daraufhin die Polizei alarmierte, im Verlauf des gesamten Abends mit den drei Tätern Pick, Petri und Becker in Kontakt stand bzw. sich mit ihnen gemeinsam bewegte.

Sie war anwesend bei der Planungsbesprechung und Bewaffnung in der Wohnung des Täters Thomas Pick.
Sie war zwischenzeitlich am Tatabend im AZ mit den drei Tätern zusammen.
Im Anschluss an die mörderische Tat, nach der die Täter Pick, Petri und Becker unerkannt und unverfolgt geflohen sind, war sie mit den Tätern in der Wohnung Pick.
Der Täter Petri, der sich selbst mit seinem eigenen Messer an Oberschenkel und Hand verletzt hat (oder war es einer seiner Freunde?), wurde von Pick, Becker und Weinhold in der Wohnung behandelt und in der Folge an den City Arkaden abgesetzt.
Tanja Weinhold hat in Absprache mit den angeklagten Tätern die Polizei gerufen und eine fingierte Geschichte über den Fund Petris in der Stadt sowie eine gemeinsam erlogene Darstellung über einen Überfall in der Innenstadt der Polizei geschildert.

Tanja Weinhold ist zumindest eine Mitwisserin. Nach Zeugenaussage der langjährigen Ex-Lebensgefährtin von Thomas Pick Roswitha S. und ihrer Tochter im laufenden Prozess, ist Tanja Weinhold nach eigener Aussage von Pick ihnen gegenüber die einzige, die ihm „das Genick brechen könnte“.

Tanja Weinhold soll nach Aussage des Gerichts verschiedene Versionen des Ablaufs in der Tatnacht bei der Polizei ausgesagt haben, die sich in den Akten des Prozess befinden und im laufenden Verfahren noch nicht genauer thematisiert worden sind.

Weinhold war am 4. Dezember als Zeugin geladen. Sie gab an seit 11.11.2015 mit dem HoGeSa-Nazi Thomas Pick verlobt zu sein. Im gleichen Satz sagte sie, dass es hierfür Zeug*innen gäbe. Sie verweigerte daraufhin jede weitere Aussage. Die Zeug*innen sollen nun geladen werden, da die „Spontan-Verlobung“ kurz vor Weinholds Zeugenaussage selbst dem Richter zu doof war, der Tanja Weinhold zudem darauf hinwies, dass sie das auch unter Eid bestätigen müsse und falls sich herausstellen sollte das die Verlobung wiederum eine fingierte Geschichte sei, sie mit einer Haftstrafe wegen Meineids rechnen muss. Tanja Weinhold blieb bei ihrer Stellungnahme.

Der Prozess wird morgen, Mittwoch um 09.15 Uhr vor dem Landgericht Wuppertal fortgesetzt. Weitere Prozesstermine sind für den 06. und 15. Januar 2016 angesetzt.

17.12. – Von der Willkommenskultur zur Notstandsstimmung. Der Fluchtdiskurs in deutschen Leitmedien

Donnerstag, 17. Dezember 2015 | 19.00 Uhr
City Kirche – Wuppertal-Elberfeld

Vortrag und Diskussion mit Regina Wamper:

Von der Willkommenskultur zur Notstandsstimmung.
Der Fluchtdiskurs in deutschen Leitmedien

Wuppertal wurde am 11. April dieses Jahres Ort eines schweren Messerattentats durch drei Nazi- Hooligans. Diese Tat wird derzeit vor dem Landgericht verhandelt. Die Veranstaltung wird einen Tag nach der voraussichtlichen Urteilsverkündung (16.12.) stattfinden. Die Tat selber ist alles andere als kontextlos. Im Gegenteil: Sie ist ein Ausdruck, der sich zuspitzenden rassistischen Zustände.

Ströme, Fluten, Invasionen. Auch 2015 bedienen deutsche Leitmedien Bilder von Flucht und Migration, die dazu geeignet sind, Menschen als Massen wahrzunehmen und weitere Entrechtungen von Geflüchteten zu legitimieren. Zwar wurde im Sommer 2015 in den Leitmedien noch positiv auf eine “Willkommenskultur” verwiesen, aber bereits zu dieser Zeit auch die Aufteilung in legitime Flüchtlinge und illegitime Flüchtlinge bedient. Mit der voranschreitenden Krisenrhetorik änderte sich auch der Fluchtdiskurs.

Im Herbst 2015 wurde in der bundesdeutschen Presse die zuvor noch zurückgewiesene Frage nach “Belastungs- und Obergrenzen” debattiert. Auch in politischen Debatten spiegelt sich diese Gleichzeitigkeit wieder. Merkels “Wir schaffen das!” korrespondierte mit Seehofers Warnung vor “massenhaftem Asylmissbrauch”. Beide Positionen bildeten die diskursive Grundlage für die massive Einschränkung des Grundrechtes auf Asyl, die im September mit den Stimmen von der Union, SPD und Grünen beschlossen wurde.

Eng verknüpft erschien die Debatte um Flucht und Asyl mit der um rassistische Mobilisierungen und Brandanschläge. Zentral war dabei die Aussage, dass die Anwesenheit von Geflüchteten Ursache sei für rassistische Agitationen. Insofern wurde auch eine Beschränkung der Rechte Geflüchteter als Strategie gegen rassistische Gewalt interpretiert. Eine fatale Einschätzung, die an die Ereignisse und Debatten der frühen 1990er Jahre erinnert.

Wie korrespondiert der mediale Diskurs mit dem der politischen Eliten? Wie hängt dies mit rassistischen Mobilisierungen nicht nur in Sachsen zusammen? Warum sprechen alle von einer Flüchtlingskrise und nicht etwa von einer Rassismuskrise?

Diese Fragen werden Gegenstand der Veranstaltung sein, in der die Referentin einen Überblick über den aktuellen Flucht- und Rassismusdiskurs geben wird.

 

Regina Wamper ist Politikwissenschaftlerin und wissenschaftliche Mitarbeiterin beim Duisburger Institut für Sprach- und Sozialforschung (DISS).

Kooperationsveranstaltung der SJD – Die Falken, KV Wuppertal, Arbeit & Leben, Region Berg-Mark sowie der Kampagne gegen Hogesa, Nazis und Rassist_innen

„Alle Rettungskräfte raus“

Erste Klarstellung zum Vorgehen der Polizei nach dem mörderischen Naziangriff am 11. April

Am vergangenen 5. Verhandlungstag wurde es überdeutlich: Die Rettungskräfte wurden von der Polizei vom lebensgefährlich verletzten Opfer des Messerangriffs wegbeordert!

Bereits mehrere Zeug*innen hatten in den letzten Wochen ausgesagt, dass die Rettungskräfte kurz nach ihrem Eintreffen die Behandlung wieder abbrechen mussten, weil sie von der Polizei abgezogen wurden. Dies hat sich nun durch die Aussage des erstbehandelnden Rettungsassistenten eindeutig bestätigt.

Die Besatzung des durch die AZ-Besucher*innen herbei gerufenen RTW wurde nicht nur unmittelbar ins Autonome Zentrum (AZ) gelassen, vielmehr seien sie bereits an der Straße eilig herbei gewunken und direkt zu dem lebensgefährlich Verletzten geführt worden. Worauf sie unmittelbar und ungehindert mit der rettungsdienstlichen Erstversorgung beginnen konnten, bis sie plötzlich und für sie nicht nachvollziehbar durch die zeitlich später eingetroffene Einsatzleitung vom Opfer wegbeordert wurden.
Klar ist nun, selbst der verwunderte Richter musste trotz mehrfachen Nachfragens schließlich konstatieren, dass sowohl den Rettungskräften als auch den zeitgleich eintreffenden Polizist*innen der Zutritt zum AZ nicht verweigert wurde und sie zusammen mit den Rettungskräften ungehindert zu dem lebensgefährlich verletzten Freund des Hauses geleitet wurden.

Schon an den vergangenen Verhandlungstagen hatte der Richter an dieser Stelle ungläubig nachgehakt, ob denn die Tür offen gewesen sei. Es scheint nicht in sein feststehendes Weltbild zu passen, dass Polizist*innen gegenüber den schockierten Freund*innen eines offensichtlich schwerverletzten Opfers zu überzogener Gewaltandrohung greifen. Nachdem es nun eindeutig ist, dass die Wuppertaler Polizei nicht nur an dem folgenschweren Abend reflexhaft gegen Antifaschist*innen vorgegangen ist und die nachfolgenden Darstellungen für die Presse einer Lüge folgten, wollte der Vorsitzende Richter am 6. Verhandlungstag diesen Themenkomplex komplett ausblenden und sprach von einem anscheinenden „Missverständnis“ beim Polizeieinsatz.
Die mangelnde Empathie und Vorstellungskraft des Richters trat auch an anderer Stelle des 5. Verhandlungstages auf erschreckende Weise zu Tage. So regte er an, die Wunden des Geschädigten könnten doch durch die, als Zeugin geladene, Rettungsärztin untersucht werden und dies könne sicherlich auch im Verhandlungssaal stattfinden – Männer seien da meist nicht so eigen. Durch Eingreifen der Anwältin des Opfers konnte dies verhindert werden und fand in einem abgeschlossenen Nebenraum statt.
Des Weiteren offenbarte der Vorsitzende Richter – entgegen erster Einschätzungen am 1. Verhandlungstag, an dem er die Angeklagten so weit wie möglich nach ihrer politischen Herkunft befragte – gegenüber einem Zeugen am vierten Verhandlungstag seine problematisch relativierende Haltung gegenüber den entscheidenden politischen Hintergründen des Tatgeschehens, in dem er verlauten ließ, ob ‚rechts‘ oder ‚links‘ oder überhaupt ein politischer Zusammenhang bestünde sei ihm „scheiß egal“.

Die weitere Schilderung des Rettungsassistenten (und weiteren Zeug*innen) zum Vorgehen der Wuppertaler Polizei in dieser Nacht zeichnen ein deutliches Bild:
Nachdem die Rettungskräfte vom Schwerstverletzten abgezogen und von der Polizei nicht mehr ins AZ gelassen wurden, habe die Notärztin angeregt zur Not könne der Patient auch durch die Polizei aus dem AZ gebracht werden damit die weitere rettungsdienstliche Versorgung fortgesetzt werden könne. Woraufhin die Polizist*innen zunächst versuchten den lebensgefährlich Verletzten auf einer Trage abzutransportieren. Die Trage passte nicht um die enge Ecke und so wurde der Schwerstverletzte anscheinend von Polizist*innen gepackt und ohne Trage aus dem AZ befördert.
Diese Schilderung, die sich wie bereits erwähnt, in zahlreichen bisher erfolgten Zeug*innenaussagen wiederfindet, offenbart in aller Deutlichkeit, dass Fehlverhalten der Polizei in dieser Nacht. Die Beamt*innen der Wache Hofkamp agierten reflexhaft gegen Menschen, die sie dem Autonomen Zentrum zurechneten und nahmen dabei eine Verschlechterung des höchst-kritischen Gesundheitzustands des lebensgefährlich verletzten Opfer des mörderischen Naziangriffs billigend in Kauf. Dass die Polizist*innen unseren schwerstverletzten Freund trotz seines offensichtlich lebensbedrohlichen Zustands ohne Trage aus dem AZ transportierten, nachdem sie selbst die Rettungskräfte abgezogen hatten, scheint allein den Richter nicht weiter zu verwundern, denn an dieser Stelle hakte er ausnahmsweise nicht nach.

Nachdem nun anschaulich geworden ist, wie eskalierend und unprofessionell die Polizei in dieser Nacht agierte, wird auch offenbar, dass die erste Pressemitteilung der Polizei allein das Ziel hatte dieses Fehlverhalten zu übertünchen. Leider haben die (lokalen) Pressevertreter*innen damals bereitwillig das von der Polizei gezeichnete Bild übernommen. Da am 5. Verhandlungstag aber erneut mehrere Pressevertreter*innen anwesend waren, besteht ja nun die Möglichkeit die falsche Berichterstattung wenigstens nachträglich richtig zu stellen und das Verhalten der Polizei nun kritisch zu hinterfragen.
Ein gutes Beispiel ist der Artikel „Schwere Polizei-Fehler bei der Ermittlung?“, der diesen Samstag (28.November) in der Wuppertaler Rundschau erschienen ist.

07.12.15 // 18:00 Uhr // Duisburg – Antifa Demo – Pogrome verhindern, bevor sie stattfinden.

In ganz Deutschland finden seit Monaten verstärkt rassistische Mobilisierungen statt. Es kommt regelmäßig zu Demonstrationen und zu Angriffen auf Geflüchtete und deren Unterkünfte. Sowohl Neonazis, als auch andere Rassist*innen vernetzen sich, mobilisieren und greifen an. In verschiedenen Städten kam es schon zu pogromartigen Übergriffen. Der gesamte Diskurs über eine angebliche „Flüchtlingskrise“ in Deutschland ist rassistisch geprägt. Hochburg von rassistischer Mobilisierung in NRW ist wieder mal Duisburg.

Duisburger Zustände

In der Stadt, in der in den vergangenen Monaten und Jahren die rassistische und antiziganistische Stimmung in einzelnen Stadtteilen auch immer mal wieder in Gewalt umschlug, findet seit Anfang des Jahres immer montags eine Pegida Demonstration statt. Die Aufmärsche, die bis zum Sommer eher in der Bedeutungslosigkeit versunken waren, sind in den letzten Wochen auf bis zu 400 Rassist*innen angewachsen und damit zu einem wöchentlichen Sammelbecken für Neonazis – von „Die Rechte“ bis zur NPD, Hogesa-Hools und neue Rechte – aus ganz NRW geworden. Besonders Hooligans bestimmen das Bild der Demonstration.

Ein Ende der Mobilisierung scheint nicht in Sicht, vielmehr steigt die Zahl der Teilnehmer*innen von Woche zu Woche weiter an. Die Nazis werden bei diesem Event nicht, wie sonst oft üblich, mit polizeilichen Durchsuchungen oder Absperrungen konfrontiert. Sie können sich frei im und um den Hauptbahnhof bewegen – Übergriffe auf Linke und Migrant*innen mit eingeschlossen.

Schweineherbst in Deutschland

Nach einem kurzen Sommer voller Hilfsbereitschaft, bei der man das Gefühl bekommen konnte, ganz Deutschland von Angela Merkel bis hin zur BILD-Zeitung wären „Refugees Welcome“, zeigt man hierzulande nun wieder sein wahres Gesicht. Auf die rassistische Stimmung, die Pegida, AFD und Co. erzeugen, reagiert auch die herrschende Politik. Die Bundesregierung aus SPD und CDU beschloss zwei Asylgesetzverschärfungen in diesem Jahr und debattiert unermüdlich über Grenzkontrollen, Transitzonen und beschleunigte Abschiebeverfahren. Durchgesetzt werden konnten die Asylgesetzverschärfungen dank der Unterstützung der Grünen.

Neuen Aufwind bekommen die rassistischen Bewegungen, wie Pegida, auch durch die islamistischen Anschläge von Paris und der von FAZ bis taz heraufbeschworenen kippenden gesellschaftlichen Stimmung. Sie nutzen diese um weiter gegen Geflüchtete und Muslime zu hetzen.

Zeit zu Handeln

Bisher konnten die Pegida Hetzer*innen fast ungestört durch Duisburg marschieren. Umso wichtiger ist es nach den Terroranschlägen von Paris und der rassistischen Stimmung in ganz Deutschland, dagegen zu halten. Wir wollen für entschlossene Solidarität mit den Geflüchteten, die nach Europa kommen auf der Suche nach einem sicheren, guten Leben, auf die Straße gehen. Gleichzeitig ist es notwendig, allen reaktionären Ideologien und deren Vertreter*innen, wie Pegida aber auch den Islamist*innen, die für die Terroranschläge von Paris und auch für die Flucht tausender Menschen aus Syrien und dem Irak verantwortlich sind, den Kampf anzusagen.

Runter von der Couch – auf zur Antifaschistischen Demonstration gegen Pegida in Duisburg!
Gegen jeden Rassismus und für Solidarität mit allen Geflüchteten! Gegen alle Angriffe auf das schöne Leben!

07.12.15 | 18.00 Uhr | Duisburg, Friedrich Wilhelm Platz (Haltestelle Steinsche Gasse)

Initiative von antifaschistischen Gruppen aus NRW

November 2015

EA-Nummer: 01512/6025614

Zum Prozess wegen des Mordversuchs vor dem Autonomen Zentrum

Vier von aktuell zwölf angesetzten Prozesstagen haben inzwischen stattgefunden. Es mussten bisher viele Leute aus dem direkten AZ Umfeld aussagen und werden auch bei den nächsten Verhandlungstagen aussagen müssen.

In der nächsten Woche sind zwei weitere Termine angesetzt, am 24. und 26. November jeweils ab 9:15 Uhr am Landgericht Wuppertal.

Zu diesen Terminen sind weitere Hauptzeugen aus dem AZ Umfeld geladen. Eine starke solidarische Begleitung vor allem an diesen Prozesstagen ist daher besonders wichtig.

Im Anschluss an die beiden folgenden Termine werden wir diese gesamtinhaltlich zusammenfassen und die bisherige Prozessführung politisch bewerten.

Wir sehen uns am Dienstag!

Denkt dran: Ihr braucht einen gültigen Perso um in den Gerichtssaal zu kommen. Handys sollten zu Hause bleiben.

Termin: Vortrag „Von Katzen und Hooligans“ am 10.November

Die antifaschistische Kampagne gegen HoGeSa, Nazis, Rassist*innen und Polizeigewalt lädt ein:

Vortrag „Von Katzen und Hooligans“
Dienstag, 10.November 2015 – 20.00 Uhr
AZ Wuppertal (Markomannenstr. 3)

Im Zusammenhang mit den rechten Mobilisierungen von „HoGeSa“ und „PeGiDa“ seit Ende 2014, wird viel von Internet-Phänomenen gesprochen. Der Vortrag wird beleuchten, welche Komponenten zusammenkommen um eine wirksame Mobilisierung rein über das Internet zu ermöglichen.

Zum einen finden die Mobilisierungen eingebettet in einen allgemeinen politischen Diskurs statt, zum anderen sind Mobilisierungen dieser Art nicht erst seit „HoGeSa“ bekannt.
In Anbetracht der seit einiger Zeit wieder intensiver werdenden Mobilisierungen von „HoGeSa“ und „PeGiDa“ und in dem Wissen, dass sie sich eben nicht auf ein Internet-Phänomen reduzieren lassen, ist es wichtig sich mit der Mobilisierung und zum Teil auch der Vernetzung dieser menschenverachtenden Zusammenhänge zu beschäftigen um sie effektiver bekämpfen zu können!

Der Referent hat selbst aktiv an einer der größten viralen Mobilisierungs-Kampagne in Deutschland mitgewirkt und wird uns einen unterhaltsamen und spannenden Vortrag über die gemeinsamen Elemente in der Mobilisierung von  „PeGiDa“ und Co. aufzeigen.

Der Vortrag findet am Dienstag, 10.November ab 20.00 Uhr im Rahmen vom „Schwarzen Tresen“ im Autonomen Zentrum Wuppertal (Markomannenstr. 3) statt und ist Teil der antifaschistischen Kampagne gegen HoGeSa, Nazis, Rassist*innen und Polizeigewalt (wuppertal2015.blackblogs.org).

#NOHOGESA / 24. und 25.10.2015 Köln

24.10.2015 // 16h
Antirassistische Demonstration
Vorplatz Kölner Hbf

#NOHOGESA / 24. und 25.10.2015 Köln

25.10.2015
„HoGeSa“-Naziaufmarsch verhindern!
Köln

Wir gehen dahin wo die Nazis sind!
Infos und Aktionskarten: antifakoeln.noblogs.org/start-und-anreisetreffpunkte…/


Köln gegen Rechts – Antifaschistisches Aktionsbündnis

AKKU // Antifa Koordination Köln & Umland


Antifa? ComeBack!

Von HoGeSa 2014 zu HoGeSa 2.0

Am 26. Oktober 2014 fand in Köln einer der größten bundesweiten Nazi-Aufmärsche seit langem statt. Rund 5.000 Nazi-Hools kamen an dem Tag nach Köln und randalierten durch die Innenstadt, während eine völlig überforderte Polizei lediglich dabei zuschaute, wie die Nazi-Hools ihre Gewaltexzesse auslebten. Die Mobilisierung fand vor allem mithilfe sozialer Medien statt. Besonders Facebook ermöglichte es Rassist*innen im vergangenen Jahr, sich zu vernetzen und in ihrem Hass gegenseitig zu bestärken – und ermöglicht dies auch weiterhin. HoGeSa konnte durch digitale Präsenz enormen Einfluss gewinnen, um sich schließlich auch offline zum “Vollstrecker des Volkswillens” zu gerieren. Von dieser Entwicklung waren auch viele Antifaschist*innen überrascht und so fiel der Gegenprotest gegen die angereisten Nazi-Hools äußerst gering aus.

Genau ein Jahr danach rufen mehrere extrem rechte Hooligan-Gruppen erneut zu einer Großdemonstration in Köln auf. Es muss für das gesamte Wochenende (23.-25. Oktober) mit einer großen Anzahl an Nazis und rechten Hooligans in Köln gerechnet werden. Das Motto „Dergleiche Ort, Diegleiche Demoroute, Diegleiche Uhrzeit, Dergleiche Anmelder“ (Rechtschreibfehler im Original) macht unmissverständlich klar, was das Ziel der Veranstaltung ist: Eine Neuauflage der Geschehnisse vom letzten Jahr.

Mit dem Motto “gegen Salafismus” hatte sich HoGeSa 2014 ein gesellschaftlich anschlussfähiges Thema gesucht. Dass es den Nazi-Hools nicht um Salafismus ging (und bis heute nicht geht), sondern darum, ihre rassistische Hetze – wahlweise gegen Migrant*innen, Flüchtlinge oder Andersdenkende – auf die Straße zu tragen, ist bereits im letzten Jahr mehr als deutlich geworden. Mittlerweile wird aus denselben Kreisen hauptsächlich gegen Geflüchtete gehetzt, was vermutlich auch das prägende Thema für HoGeSa 2.0 in Köln sein wird.

Bestärkt durch den erlebten Machtrausch und die aufkommende Pegida-Bewegung hinterließ der Aufmarsch im letzten Jahr auch regional Spuren. So pöbelten Nazis im vergangenen Jahr eine Zeit lang jedes Wochenende in der Kölner Innenstadt, es kam zu Angriffen und Schmierereien auf linke Projekte und zu einem versuchten bewaffneten Überfall auf eine Gedenkveranstaltung anlässlich des NSU-Anschlages in der Kölner Probsteigasse.

HoGeSa markierte mit der sich zeitgleich formierenden Pegida-Bewegung außerdem den Anfang neuer rassistischer Mobilisierungen und Angriffe in ganz Deutschland, die im Laufe des vergangenen Jahres an Stärke gewannen – und an Intensität bis heute zunehmen. Während sich die Mobilisierungen hauptsächlich gegen Geflüchtete richten, geht damit auch eine deutliche Zunahme rassistischer Alltagserfahrungen von Menschen einher, die bereits lange oder in x-ter Generation in Deutschland leben.

Doch die neuen rassistischen Mobilisierungen bleiben keineswegs unwidersprochen, sondern treffen auf eine breite Gegenbewegung: Immer mehr Menschen positionieren sich gegen rassistische Hetze und wir erleben eine Welle von Solidarität und Hilfsbereitschaft gegenüber Geflüchteten, die nicht nur uns in ihrer gesellschaftlichen Breite und Intensität überrascht hat. Beides ist aus unserer Sicht Ausdruck einer immer stärkeren Polarisierung und Spaltung innerhalb der Gesellschaft.

Bestärkung per Gesetz

Innerhalb des vergangenen Jahres gab es überall in der BRD massive rassistische Mobilisierungen gegen Geflüchtete und deren Unterkünfte. Die Zahl der Angriffe ist mittlerweile dreimal so hoch wie noch in 2012. Den traurigen vorläufigen Höhepunkt bildete zuletzt Heidenau. Organisierte Neonazis versuchen dabei verstärkt, wie auch in Heidenau, vorhandene Rassismen und Ressentiments in der Bevölkerung aufzugreifen und weiter zu schüren – beispielsweise bei Informationsveranstaltungen über Asylbewerber*innenunterkünfte innerhalb der Nachbarschaft oder durch Kampagnen wie “Nein zum Heim”. Nicht überall haben diese Strategien den gleichen Erfolg, doch an vielen Orten gelingt es Neonazis und Rassist*innen damit, ihre Hetze zu verbreiten. Durch die verharmlosende Benennung als “besorgte Bürger*innen” wird ihnen noch Legitimität zugesprochen.

Gleichzeitig tun einige Politiker*innen ihr Bestes, die rassistischen Mobilisierungen zu verharmlosen oder die Hetze sogar anzutreiben. Wer rassistische Argumentationen durchgehen lässt oder gar als “berechtigte Ängste” betitelt, wer Rassist*innen lieber “zuhört” statt sie in die Schranken zu weisen, der ist mitverantwortlich dafür, dass Bewegungen wie Pegida groß werden und damit eine Form der politischen Legitimation erfahren, die sie in ihrem Rassismus bestärkt und unterstützt. Auch durch die aktuellen Verschärfungen des Asylrechts können sich Rassist*innen bestätigt fühlen, liest sich einiges doch als direkte Umsetzung ihrer Forderungen.

Ja, der Anstieg der Geflüchtetenzahlen ist eine gesellschaftlich herausfordernde Situation – es kommen viele Menschen nach Deutschland und an vielen Orten stellt ihre Versorgung ein organisatorisches Problem dar. Aber die aktuelle „Flüchtlingskrise“ ist nicht einfach unvorhergesehen „hereingebrochen“. Schon seit Jahren ist die Entwicklung zu erkennen, dass wieder mehr Menschen flüchten müssen. Seit Jahren hätte sich die Bundesregierung auf die Situation vorbereiten können. Finanzielle und materielle Mittel sind in ausreichendem Umfang vorhanden – sie müssten nur bereitgestellt werden.

Von bundespolitischer Ebene wird stattdessen suggeriert, materielle und logistische “Engpässe” seien der Grund für mangelhafte Unterbringung, unzureichende sozialpsychologische Betreuung und fehlende Verpflegung von Geflüchteten. Die vermeintliche „Ressourcenknappheit“ wird allzu gerne als Argument benutzt, um Verschärfungen im Asylrecht und einfachere Abschiebungen von Geflüchteten aus bestimmten Regionen, zum Beispiel aus den Balkanstaaten, zu fordern. Momentan erleben wir, wie mit der angeblichen Überforderung die Errichtung von Lagern in Grenzregionen und die Wiedereinführung von Grenzkontrollen legitimiert wird. Dass Geflüchtete, die über Ungarn geflohen sind, nun doch trotz Dublin III ihren Asylantrag in Deutschland stellen “dürfen”, ist einer Ausnahmesituation geschuldet und wird jetzt von Merkel und Co. als Druckmittel gegen andere EU-Staaten eingesetzt. Diese unsolidarische und spalterische Politik produziert soziale Konflikte und spielt Menschen wissentlich gegeneinander aus.

Fluchtgründe und Wohlstandschauvinismus

Die politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen werden auch auf europäischer Ebene in einem politischen Klima der Abschottung vorangetrieben. Die EU hat in den letzten Jahrzehnten nicht nur einen massiven neoliberalen Umbau der Gesellschaft betrieben, sondern auch die Grenzen militärisch abgesichert. Über die eigenen Grenzen hinweg trägt die EU international zu einer Durchsetzung neoliberaler Politik bei. In vielen Ländern hat dies mit zu Verhältnissen geführt, die Menschen dazu veranlassen, ihrer Heimat den Rücken zu kehren. Fluchtgründe sind vielfältig: seien es Kriege, Umweltkatastrophen, rassistische Diskriminierung oder einfach “nur” die Verschlechterung der Lebens- und Arbeitsbedingungen. Das sind die zwei Seiten derselben Medaille: Wohlstand und Aufstiegsversprechen hier funktionieren nicht ohne Ausbeutung und Armut dort.

Trotzdem scheint die Mehrheit der Deutschen zu glauben, ihr Wohlstand sei irgendwie verdient und selbstverständlich. Diese Ansicht tritt besonders in der Griechenland-Debatte zu Tage. Öffentliche Hetz-Kampagnen gegen “die Griech*innen” verschleiern, dass es nicht um einen zu erhaltenden Wohlstand der eigenen Bevölkerung geht, sondern darum, wirtschaftliche Interessen in einem neoliberalen System gnadenlos durchzusetzen. Deutschland ist und bleibt der größte Profiteur der Krise. Die deutsche Exportwirtschaft hat Griechenlands Verschuldung erst maßgeblich vorangetrieben.

Nun zeigt sich langsam, dass diese chauvinistische Politik ihren Preis hat: Ausbeutung bleibt nicht ohne Folgen. Mobilität und Migration sind ein Ergebnis dieser Außen- und Wirtschaftspolitik. Sie stehen aber nur jenen wenigen Menschen auf legalem Wege offen, die im Sinne der herrschenden Politik als “nützlich” erachtet werden. Allen vermeintlich “Unnützen” bleibt nur der schwierige Weg über die oftmals tödlichen Außengrenzen.

Anstatt diese Zusammenhänge zu erkennen und zu kritisieren, richtet sich die Wut über Sozialabbau in den europäischen Ländern gegen die ohnehin schon am meisten von Verelendung und Diskriminierung betroffenen Menschen. Überall in Europa sind in den vergangenen Jahren rechtspopulistische Parteien in die Parlamente eingezogen oder sind sogar an Regierungen beteiligt. Nach unten zu treten ist leichter als politische Zusammenhänge zu erkennen und zu benennen.

Die Einteilung von Menschen in Kategorien von “nützlich” und “unnütz” führt auch hierzulande in den Debatten um Geflüchtete dazu, dass vor allem von Fakten, Zahlen und technischen Daten gesprochen wird. Diese Technisierung der Debatte ermöglicht es, dass Menschen wie Waren behandelt werden. Und sie verschleiert Rassismen. Die entsprechenden Statistiken wiederum sind den Rassist*innen wohlfeiles Mittel, sich in Diskurse einzuklinken und sie in ihrem Sinne zu verschärfen.

„Gute und schlechte“ Flüchtlinge? – every refugee is a political refugee!

Gerne wird immer wieder zwischen “guten” und “schlechten” Flüchtlingen unterschieden. Es wird behauptet, es gäbe zwei Kategorien von Flucht: eine “echte” und eine “unechte”, nämlich die aufgrund ökonomischer Bedingungen.

Wenn Menschen nicht gerade aus Syrien geflüchtet sind, werden sie in der gesellschaftlichen Debatte gerne als „Wirtschaftsflüchtlinge“ oder „Armutsflüchtlinge“ tituliert. Somit wird ihnen indirekt unterstellt, sie seien kriminell, denn sie würden „ja nur in unsere Sozialsysteme einwandern“ wollen. Dass es viele Motive gibt, die Menschen dazu veranlassen, in ein anderes Land zu ziehen, wird einfach ausgeklammert. Ob Menschen migrieren oder um Asyl bitten, ist oft einfach davon abhängig, welche legalen oder auch illegalisierten Möglichkeiten ihnen zur Verfügung stehen. Diese fatale Unterteilung von Menschen hat zur Folge, dass realpolitisch Fakten geschaffen werden, um bestimmten Gruppen ein Aufenthaltsrecht zu verwehren. So werden Staaten willkürlich zu “sicheren Herkunftsstaaten” deklariert und damit Menschen der Zugang zu Asyl und Schutz in Deutschland verweigert. Das trifft vor allem Rom*nja, denen in ihren Heimatländern systematisch der Zugang zu Arbeit, Gesundheitsversorgung und Bildung verwehrt bleibt.

Die Unterteilung in „gute“ und „schlechte“ Flüchtlinge führt im Ergebnis dazu, dass Menschen gegeneinander ausgespielt werden mit der Folge, dass Bomben und Kriege als legitimer Asylgrund gelten, aber systematisch verursachte Armut und Diskriminierung nicht. Diesen Rassismus durch die Hintertür können und dürfen wir nicht gelten lassen. Es ist egal, warum Menschen fliehen und sich woanders eine Lebensgrundlage aufbauen wollen: Jeder und jedem steht das Recht auf ein Leben in Würde zu.

Die Etablierung einer „Willkommenskultur“?!

An vielen Orten haben sich Willkommensinitiativen gegründet, die direkt Hilfe leisten und so die Stimmung vor Ort entscheidend prägen. Tausende Menschen organisieren zusammen mit Geflüchteten Willkommensfeste, empfangen und versorgen Menschen an Bahnhöfen, sammeln Kleiderspenden, organisieren Sprachkurse und Begleitung bei Behördengängen. Das ist nicht nur für die Geflüchteten wichtig, sondern nimmt auch Rassist*innen und Neonazis den Raum, ihre Hetze zu entfalten. Diese Entwicklung darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass es nach wie vor einen weit verbreiteten Rassismus in der deutschen Gesellschaft gibt.

Deshalb ist es für die radikale Linke wichtig zu betonen, dass Antirassismus nicht bei einer rein humanitären Hilfe stehenbleiben darf und die Kategorisierung in die “guten” Kriegsflüchtlinge und die “bösen” Wirtschaftsflüchtlinge beispielsweise auch innerhalb der Willkommensinitiativen anzutreffen ist. Eine daraus resultierende pauschale Abgrenzung von Willkommensinitiativen und Helfer*innen als vermeintlich entpolitisierte Hippies, wie es manche Teile der Linken tun, ist dabei aus unserer Sicht jedoch nicht der richtige Weg. Stattdessen müssen wir die Diskurse innerhalb der Willkommensinitiativen politisieren und radikalisieren. Nur so kann sich eine “Willkommenskultur” entwickeln, die gegen die Abschottung an den EU-Außengrenzen und gegen rassistische Stimmungsmache Stellung bezieht, statt bei einem bloßen individualisierten “Helfen” stehen zu bleiben.

Wir brauchen mehr Menschen, die sich lautstark gegen institutionellen und gesellschaftlichen Rassismus positionieren und aktiv werden, um diese Zustände zu ändern. Initiativen, die Flüchtlinge bei der Flucht unterstützen, oder die Besetzung von Gebäuden, um sich für und mit Geflüchteten menschenwürdigen Wohnraum anzueignen, sind gute Bespiele dafür, wie eine solche Praxis aussehen kann.

Ausblick

Das “Zeitfenster der Menschlichkeit” – als sich die Bundesregierung nicht zuletzt unter dem Druck der Bilder verzweifelter Flüchtlinge genötigt sah, für einen kurzen Zeitraum die Grenzen zu öffnen – wird eine kurze historische Episode bleiben. Die Zeichen stehen längst wieder auf Abschottung und Abschreckung. Die jetzt angekündigten drastischen Verschärfungen des kaum noch existenten Asylrechts zeigen, was die Zukunft bringen wird: Lebensbedingungen für Geflüchtete werden dramatisch verschlechtert und Abschiebungen erleichtert, um Menschen abzuschrecken, weiterhin nach Deutschland zu kommen. Die “nützlichen” Flüchtlinge sollen dafür schneller und effizienter als “Humankapital” dem Arbeitsmarkt zur Verfügung gestellt werden. Der weitere Ausbau der EU-Außengrenzen steht als nächster Punkt auf der Agenda der deutschen Regierung. Ob es mit diesen Maßnahmen gelingt, die Migrationsbewegungen zu stoppen, darf bezweifelt werden – der Druck, vor Bürgerkrieg und sozialer Verelendung zu fliehen, ist zu groß, als dass er sich von Grenzzäunen aufhalten ließe.

Gleichzeitig haben wir es mit einer zunehmend aggressiver auftretenden Neonaziszene zu tun. Täglich hören wir von Anschlägen und Angriffen irgendwo in Deutschland. Die Erfahrungen, die in der rechten Szene gerade mit Brandanschlägen und ähnlichem gesammelt werden, sind der Nährboden für neue rechtsterroristische Gruppen. Es ist davon auszugehen, dass in den nächsten Monaten und Jahren nicht nur die Quantität, sondern auch die Qualität rechtsterroristischer Anschläge weiter zunehmen werden.

Auch die rassistische Stimmung in Teilen der Bevölkerung kann weiter anwachsen und sich durch die Dynamik sozialer Netzwerke verstärken und formieren. In welcher Form sich diese manifestieren wird, bleibt abzuwarten – ob auf der Straße als Pegida oder “Bürgerwehr xy” und/oder in Parlamenten durch rechte Parteien.

Bleibt also die Frage, wie wir als radikale Linke damit umgehen. Beispiele wie Heidenau zeigen nicht nur, wozu die organisierte Naziszene in Zusammenarbeit mit Rassist*innen vor Ort in der Lage ist, sondern auch, auf welchen Ebenen eine Intervention unsererseits stattfinden muss. Den Nazis muss die Straße genommen werden, damit der Riot gegen Geflüchtete als Mitmachspektakel für alle ein schnelles Ende hat. Denn Antifaschismus kann nur erfolgreich sein, wenn es ihm gelingt, einerseits Neonazis und Rassist*innen auf der Straße wie auch diskursiv zurückzudrängen und andererseits Formen der Partizipation und Kommunikation anzubieten, um Menschen einzubinden und zu politisieren.

Antifaschistische Intervention und antirassistische Basisarbeit zu verknüpfen und zu vernetzen ist heute aus unserer Sicht wichtiger denn je. Dafür müssen wir vermehrt mit denjenigen Menschen zusammenarbeiten (und sie bestärken), die Unterstützung für Geflüchtete leisten. Das Zugehen auf und die Politisierung von Willkommensinitiativen oder anderen solidarischen Strukturen ist notwendig, um den Rassist*innen vor Ort das Wasser abzugraben und eine nachhaltige antirassistische Gegenbewegung aufzubauen. Eine Gegenbewegung, die nicht in einer wohltätigen Perspektive verharrt. Aber auch Solidarität und verstärkte Zusammenarbeit mit Selbstorganisierungen von Geflüchteten ist unbedingt notwendig – hier haben wir als radikale Linke immer noch Nachhol- und Lernbedarf. Die Vernetzung von Betroffenen, lokalen Unterstützer*innen und Aktivist*innen wird uns nachhaltig stärken. Dies kann und sollte lokal passieren.

Für uns alle gilt: Raus aus der persönlichen Comfortzone, die Zeit des passiven Kritisierens ist vorbei. Wer Veränderung schaffen will, muss handeln!

Eine erste Möglichkeit dazu bietet sich am Wochenende des 24. und 25. Oktober in Form der zahlreichen Aktivitäten gegen den geplanten Aufmarsch von HoGeSa. Lasst uns zusammen an dem Samstag mit einer kraftvollen Demonstration unsere Inhalte auf die Straße tragen und am nächsten Tag HoGeSa aus der Stadt jagen.

Rassistische Verhältnisse angreifen – Solidarität mit allen Geflüchteten und allen von Rassismus Betroffenen!

AKKU im Oktober 2015

Prozessbeginn vor dem Landgericht wegen des Mordversuches vor dem Autonomen Zentrum Wuppertal – Demonstration zum Prozessauftakt

Vor Prozessbeginn entrollten Freund*innen des Autonomen Zentrums vor dem Gericht ein großes Transparent, das auf die fortwährende Täter-Opfer-Umkehr und den Nazihintergrund der Tat aufmerkam machte.
Zunächst ließen sich die beiden Angeklagten Patrick Petri und Rolf Becker ein. Rolf Becker fiel vor allem durch angebliche eklatante Gedächtnislücken auf, die trotz intesiven Nachfragens durch Richter, Anwälte und Staatsanwaltschaft bislang nicht gelichtet werden konnten. Beide Angeklagte versuchten ihre Zugehörigkeit zur Rechten Szene abzustreiten bzw. in die Vergangenheit zu verschieben. Thomas Pick zeigte sich als Hardliner der Rechten Szene und wird sich voraussichtlich nicht zur Tat einlassen. Picks Kontakte in der Naziszene bestätigte der vorsitzende Richter dadurch, dass er den Kontakt zu “SS-Siggi” (Siegfried Borchardt – Borussenfront/Die Rechte Dortmund), Sturm 18 sowie der rechten Hool-Gruppierung “Berserker” erwähnte.

Die beiden anderen Angeklagten gestanden ein, dass sie sich zusammen mit dem dritten Angeklagten Thomas Pick in der Tatnacht getroffen hatten, um die gemeinsame Anreise mit einem Bus zu einer HoGeSa-Demonstration in Karlsruhe zu organisieren. Hierbei scheint Petri das Bindegelied zu anderen Angehörigen der Rechten Szene gewesen zu sein, denn er war dafür zuständig an diesem Abend das Geld einzusammeln. Die Bekanntschafft mit dem HoGeSa-Mitorganisator Mario Leisering aus Oberhausen gaben beide freimütig zu. Becker gab an, dass er mit Leisering zusammen bei “HoGeSa” Hannover war.

Hier von einer Nazivergangenheit, einem Ausstieg aus der Rechten Szene oder ähnlichem zu sprechen ist reine Augenwischerei und soll dem kläglichen Versuch der Angeklagten dienen, einen politisch motivierten mörderischen Angriff zu einer zufälligen Auseinandersetzung herabzustufen. Alle drei Angeklagten bewegten sich auch in der Zeit rund um die Tatnacht in der Rechten Szene und wählten das Autonome Zentrum bewusst als Ort an dem sich “der politische Gegner” trifft.

Der Teilnehmerkreis auf HoGeSa-Demonstrationen überschneidet sich nicht zufällig mit dem auf anderen Nazi-Demonstrationen. Beiden Gruppen ist nicht nur ein rassistisches Weltbild und ein hohes Gewaltpotenzial gemein, sie sind in großen Teilen deckungsgleich bzw. verbrüdern sich zusehends miteinander.
Die Angeklagten Petri und Becker haben nach eigener Aussage die PEGIDA-/HoGeSa-Demonstration am 14.März 2015 in Wuppertal besucht und pflegen weitere Kontakte in organisierte Nazistrukturen. Pick war beispielsweise an dem versuchten Angriff auf eine Gedenkveranstaltung in der Kölner Probsteigasse im Januar 2015 beteiligt. Laut einer Antifa-Recherche nahm Patrick Petri am 30. Mai 2011 an einem Naziaufmarsch in Enschede (Niederland) teil. Dort trug er zusammen mit Leisering das Transparent des „Freien Widerstands Oberhausen“. Spätestens seit diesem Zeitpunkt hat Patrick Petri Kontakte zu Teilen der Wuppertaler Nazistruktur „Nationale Sozialisten Wuppertal“ (heute „Die Rechte Wuppertal“). Den Kontakt zu Leisering bestätigte er auch im Prozess.

Demonstration (02.10.) vor Prozessbeginn

Am vergangenen Freitag demonstrierten gut 200 Menschen gegen die empörende Polizeigewalt in Wuppertal und die aktuellen rassistischen Zustände. Bei der Auftaktkundgebung an den City Arkaden in Wuppertal Elberfeld wurden Redebeiträge aus unterschiedlichen politischen Blickwinkeln gehalten und das Thema der Demo “Gegen HoGeSa, Nazis und Rassist*innen! Kein Bock mehr auf Polizeigewalt!” vielfältig besprochen.
Schwerpunkte waren der mörderischer Naziangriff vor dem Autonomen Zentrum Wuppertal im April diesen Jahres, die erschreckende Polizeigewalt in Wuppertal und der Umgang mit geflüchteten Menschen. Hierzu wurde u.a. eine Erklärung einiger in Wuppertal lebender Refugees zur geplanten Verschärfung des Asylrechts verlesen.

Die Polizei versuchte von Beginn an die Demoteilnehmer*innen zu drangsalieren und provozieren. Ein Mensch wurde beispielsweise mit der vorgeschobenen Begründung kontrolliert er habe einen “A.C.A.B.”-Aufnäher an der Kleidung. Die Polizei ignoriert hier in gewohnter Weise aktuelle Gerichtsurteile, in denen dargelegt wird, dass die Buchstabenkombination “A.C.A.B.” nicht den Strafstatbestand der Beleidigung erfüllt.

Auch während der Demonstration agierte die Polizei in gewohnt übler Weise. Demoteilnehmer*innen wurden von Beginn an willkürlich und rechtswidrig: (ohne Anlass) gefilmt, fotografiert, geschubst und verbalen Unflätigkeiten ausgesetzt. Auffällig waren zudem die zahlreichen Zivilbeamt*innen, die sich im Umfeld des Demozuges herumtrieben und das verstärkte Auftreten vermumter Hunderschaftspolizist*innen. Ein kurzer Redebeitrag an der Polizeiwache Hofkamp thematisierte die Polizeigewalt in Wuppertal. Besonders hervorgehoben wurde die besondere Rolle, die dabei vor allem den Beamt*innen dieser Wache zukommt. Sind sie es doch, die den fehlgeleiteten Einsatz am Autonomen Zentrum zum Mordanschlag im April zu verantworten haben. Durch den polizeilichen Einsatz wurden Ersthelfer*innen behindert, Betroffene zu Täter*innen verkehrt und erhebliche Sachbeschädigung im Autonomen Zentrum verursacht.